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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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gleich.
    »Wo sind die Fla­schen?« frag­te er.
    »Drü­ben in dem Schrank.«
    Ra­vic öff­ne­te den nied­ri­gen Schrank. Ei­ne An­zahl Fla­schen
stand dar­in. Die meis­ten da­von wa­ren wei­ßer Crè­me de Men­the. Er be­trach­te­te sie
mit Ab­scheu und schob sie bei­sei­te. In ei­ner Ecke fand er ei­ne hal­be Fla­sche
Mar­tell und ei­ne Fla­sche Cal­va­dos. Die Fla­sche mit Cal­va­dos war nicht ge­öff­net.
Er ließ sie ste­hen und nahm den Ko­gnak. »Trinkst du jetzt Pfef­fer­minz­schnaps?«
frag­te er über die Schul­ter.
    »Nein«, er­wi­der­te sie von der Couch her.
    »Gut. Dann brin­ge ich den Ko­gnak.«
    »Es ist Cal­va­dos da«, sag­te sie. »Mach den Cal­va­dos auf.«
    »Der Ko­gnak ge­nügt.«
    »Mach den Cal­va­dos auf.«
    »Ein an­de­res Mal.«
    »Ich möch­te kei­nen Ko­gnak. Ich möch­te Cal­va­dos. Bit­te,
mach die Fla­sche auf.«
    Ra­vic sah wie­der in den Schrank hin­ein. Da stand rechts der
wei­ße Pfef­fer­minz für den an­de­ren – und links der Cal­va­dos für ihn. Es war
al­les so haus­frau­en­haft or­dent­lich, daß es einen fast rüh­ren konn­te. Er nahm
die Fla­sche Cal­va­dos und zog sie auf. Warum schließ­lich nicht? Bra­ve Sym­bo­lik
des Lieb­lings­schnap­ses, sen­ti­men­tal ver­schmiert in ei­ne al­ber­ne Ab­schieds­sze­ne.
Er er­griff zwei Glä­ser und ging zum Tisch zu­rück. Jo­an be­ob­ach­te­te ihn, wäh­rend
er den Cal­va­dos ein­schenk­te.
    Der Nach­mit­tag stand groß und gol­den vor dem Fens­ter. Das
war Licht, war far­bi­ger, und der Him­mel war hel­ler ge­wor­den. Ra­vic sah auf die
Uhr. Es war et­was nach drei. Er sah auf den Se­kun­den­zei­ger; er glaub­te, sie sei
ste­hen­ge­blie­ben. Aber der Se­kun­den­zei­ger tick­te wie ein klei­ner, gol­de­ner
Schna­bel die Punk­te des Krei­ses wei­ter auf. Es war Tat­sa­che – er war erst ei­ne
hal­be Stun­de hier. Crè­me de Men­the, dach­te er. Was für ein Ge­schmack!
    Jo­an hock­te auf der blau­en Couch. »Ra­vic«, sag­te sie
weich, mü­de und vor­sich­tig. »War das wie­der ei­ner dei­ner Tricks, oder ist es
wahr, daß du es ver­stehst?«
    »Es ist kein Trick. Es ist wahr.«
    »Du ver­stehst es?«
    »Ja.«  – »Ich wuß­te es.« Sie lä­chel­te ihn an. »Ich wuß­te
es, Ra­vic.«
    »Es ist ziem­lich ein­fach zu ver­ste­hen.«
    Sie nick­te. »Ich brau­che et­was Zeit. Ich kann es nicht
so­fort. Er hat mir nichts ge­tan. Ich wuß­te doch nicht, ob du je­mals
wie­der­kom­men wür­dest. Ich kann es ihm nicht so­fort sa­gen.«
    Ra­vic schüt­te­te sein Glas hin­un­ter. »Wo­zu brau­chen wir
Ein­zel­hei­ten?«
    »Du sollst es wis­sen. Du sollst es ver­ste­hen. Es ist …
ich brau­che et­was Zeit. Er wür­de … ich weiß nicht, was er tun wür­de. Er liebt
mich. Und er braucht mich. Er kann doch nichts da­für.«
    »Na­tür­lich nicht. Nimm dir al­le Zeit der Welt, Jo­an.«
    »Nein. Nur et­was. Nicht gleich.« Sie lehn­te sich ge­gen
die Kis­sen der Couch. »Und die­se Woh­nung hier, Ra­vic – das ist nicht so, wie du
viel­leicht denkst. Ich ver­die­ne selbst Geld. Mehr als frü­her. Er hat mir
ge­hol­fen. Er ist Schau­spie­ler. Ich ha­be klei­ne Rol­len im Film. Er hat mich da
hin­ein­ge­bracht.«
    »Das dach­te ich mir.«
    Sie be­ach­te­te es nicht. »Ich ha­be nicht viel Ta­lent«,
sag­te sie. »Ich ma­che mir nichts vor. Aber ich woll­te aus den Nacht­klubs
her­aus. Man kann da nicht wei­ter­kom­men. Hier kann man es. Auch oh­ne Ta­lent. Ich
will un­ab­hän­gig wer­den. Du magst das al­les lä­cher­lich fin­den ...«
    »Nein«, sag­te Ra­vic. »Es ist ver­nünf­tig.«
    Sie sah ihn an. »Bist du nicht des­halb nach Pa­ris
ge­kom­men, da­mals?« frag­te er. – »Ja.«
    Da sitzt sie, dach­te er, ei­ne lei­se kla­gen­de Un­schul­di­ge,
der das Le­ben und ich hart zu­ge­setzt ha­ben. Sie ist ru­hig, der ers­te Sturm ist
ab­ge­schla­gen; sie wird ver­zei­hen, und wenn ich nicht bald ge­he, wird sie mir
die Ge­schich­te der letz­ten Mo­na­te noch mit al­len Ein­zel­hei­ten er­zäh­len, die­se
stäh­ler­ne Or­chi­dee, zu der ich ge­kom­men bin, um klar Schluß zu ma­chen, und die
es jetzt be­reits so weit ge­bracht hat, daß ich ihr fast recht ge­ben muß.
    »Gut, Jo­an«, sag­te er. »Du bist jetzt so­weit. Du

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