E.M. Remarque
da war
alles egal, du schliefst mit mir, und morgens war es immer noch egal, du
hattest noch nicht genug und schliefst wieder mit mir, und ich liebte dich, und
du warst wunderbar und wolltest nichts wissen, und ich liebte dich dafür wie
nie vorher, ich wußte, du mußtest so sein und nicht anders, ich habe geweint,
als du schliefst, und dich geküßt und war glücklich und ging nach Hause und
betete dich an – und jetzt! Jetzt kommst du und wirfst mir vor, was du damals,
als du mit mir schlafen wolltest, so großartig mit einer Handbewegung beiseite
geschoben und vergessen hattest, jetzt holst du es heraus und hältst es mir hin
und stehst da, ein beleidigter Tugendwächter, und machst eine Szene wie ein
eifersüchtiger Ehemann! Was willst du denn von mir? Was für ein Recht hast du
dazu?«
»Keines«, sagte Ravic.
»So! Gut, daß du das wenigstens einsiehst. Wozu kommst du
her und wirfst mir das heute ins Gesicht? Warum hast du es nicht getan, als ich
nachts zu dir kam? Natürlich, da ...«
»Joan …«, sagte Ravic.
Sie verstummte.
Ihr Atem ging rasch, und sie starrte ihn an.
»Joan«, sagte er. »In der Nacht, als du zu mir kamst,
glaubte ich, du kämest zurück. Das war genug. Ich habe mich geirrt. Du bist
nicht zurückgekommen.«
»Ich bin nicht zu dir zurückgekommen? Was denn sonst? War
das ein Geist, der zu dir gekommen ist?«
»Du bist zu mir gekommen. Aber du bist nicht
zurückgekommen.«
»Das ist mir zu hoch. Ich möchte wissen, was da für ein
Unterschied ist?«
»Du weißt es. Ich wußte es damals nicht. Heute weiß ich
es. Du lebst mit jemand anderem.«
»So, ich lebe mit jemand anderem. Da ist es wieder! Wenn
ich ein paar Freunde habe, lebe ich mit jemand anderem! Soll ich vielleicht den
ganzen Tag eingeschlossen bleiben und mit niemandem reden, nur damit es nicht
heißt, ich lebe mit jemand anderem?«
»Joan«, sagte Ravic. »Sei nicht lächerlich.«
»Lächerlich? Wer ist lächerlich? Du bist lächerlich.«
»Meinetwegen. Soll ich dich mit Gewalt von der Tür
wegtreiben?«
Sie rührte sich nicht. »Wenn ich mit jemand war, was geht
es dich an? Du hast selbst gesagt, du willst es nicht wissen.«
»Gut. Ich wollte es auch nicht wissen. Ich glaubte, es
wäre zu Ende. Was gewesen war, ging mich nichts an. Es war ein Irrtum. Ich
hätte es besser wissen sollen. Möglich, daß ich mich selbst belügen wollte.
Schwäche, aber das ändert nichts.«
»Wieso ändert das nichts? Wenn du einsiehst, daß du
unrecht hast...«
»Hier geht es nicht um Recht und Unrecht. Du warst nicht
nur mit jemand, du bist es noch. Und willst es auch weiter bleiben. Das wußte
ich damals nicht.«
»Lüg nicht!« unterbrach sie ihn plötzlich ruhig. »Du hast
es immer gewußt. Damals auch.«
Sie sah ihm gerade in die Augen. »Gut«, sagte er.
»Meinetwegen habe ich es gewußt. Ich wollte es dann nicht wissen. Ich wußte es
und glaubte es nicht. Du verstehst das nicht. Einer Frau passiert so was nicht.
Das hat trotzdem nichts damit zu tun.«
Ihr Gesicht war plötzlich überflogen von einer wilden,
ausweglosen Angst. »Ich kann doch jemand nicht ohne weiteres hinauswerfen, der
mir nichts getan hat, nur weil du plötzlich wieder auftauchst! Verstehst du das
nicht?«
»Ja«, sagte Ravic.
Sie stand da wie eine Katze, die in eine Ecke getrieben
ist und springen will und der auf einmal der Boden weggezogen wird. »Ja?« sagte
sie überrascht. Die Spannung wich aus ihren Augen. Sie ließ die Schultern
fallen. »Weshalb quälst du mich dann, wenn du es verstehst?« sagte sie müde.
»Komm von der Tür weg.« Ravic setzte sich in einen der
Sessel, die unbequemer waren, als sie aussahen. Joan zögerte. »Komm«, sagte er.
»Ich laufe nicht mehr weg.«
Sie kam langsam herüber und ließ sich auf die Couch
fallen. Sie wirkte erschöpft, aber Ravic sah, daß sie es nicht war. »Gib mir
etwas zu trinken«, sagte sie.
Er sah, daß sie Zeit gewinnen wollte. Es war ihm
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