E.M. Remarque
Warum?«
»Das Gesetz. Die Hinterlassenschaft. Die Polizei wird
eine Aufstellung darüber machen, was Ihnen und was ihm gehört. Was Ihnen
gehört, behalten Sie. Was ihm gehört, wird von der Polizei festgehalten. Für
Angehörige, die sich melden sollten. Hat er welche?«
»Nicht in Frankreich.«
»Sie haben mit ihm gelebt?«
Die Frau antwortete nicht.
»Lange?«
»Zwei Jahre.«
Ravic sah sich um. Haben Sie keine Koffer?«
»Doch … sie waren hier … dort, drüben an der Wand.
Gestern abend noch.«
»Aha, der Wirt.« Ravic öffnete die Tür. Die Putzfrau mit
dem Besen prallte zurück. »Mutter«, sagte er, »für Ihr Alter sind Sie zu
neugierig. Rufen Sie den Wirt.«
Die Putzfrau wollte protestieren.
»Sie haben recht«, unterbrach Ravic. »In Ihrem Alter hat
man nur noch die Neugier. Aber rufen Sie den Wirt.«
Die Alte muffelte etwas, schob den Besen vor sich her und
entschwand.
»Es tut mir leid«, sagte Ravic. »Doch es hilft nichts. Es
mag roh aussehen, aber wir müssen es besser jetzt gleich machen. Es ist
einfacher, wenn Sie es im Augenblick vielleicht auch nicht verstehen.«
»Ich verstehe es«, sagte die Frau.
Ravic sah sie an.
»Sie verstehen es?«
»Ja.«
Der Wirt kam herein, einen Zettel in der Hand. Er klopfte
nicht an.
»Wo sind die Koffer?« fragte Ravic.
»Zuerst einmal die Rechnung. Hier. Erst wird die Rechnung
bezahlt.«
»Zuerst einmal die Koffer. Niemand hat sich bis jetzt
geweigert, die Rechnung zu bezahlen. Das Zimmer ist noch immer vermietet. Das
nächste Mal klopfen Sie an, wenn Sie hereinkommen. Geben Sie die Rechnung her,
und lassen Sie die Koffer bringen.«
Der Wirt starrte ihn wütend an. »Sie werden Ihr Geld
bekommen«, sagte Ravic.
Der Patron zog ab. Er warf die Tür hinter sich zu.
»Ist Geld in den Koffern?« fragte Ravic die Frau.
»Ich … nein, ich glaube nicht.«
»Wissen Sie, wo es ist? In seinem Anzug? Oder war keins
da?«
»Er hatte Geld in seiner Brieftasche.«
»Wo ist sie?«
»Unter …« Die Frau zögerte. »Unter seinem Kopfkissen
hatte er sie meistens.«
Ravic stand auf. Er hob vorsichtig das Kopfkissen mit dem
Kopf des Toten und holte darunter eine lederne schwarze Brieftasche hervor. Er
gab sie der Frau. »Nehmen Sie das Geld heraus und alles, was wichtig für Sie
ist. Rasch. Es ist keine Zeit für Sentimentalität. Sie müssen leben. Zu was
sonst ist es nütze? Soll es bei der Polizei verschimmeln?«
Er blickte eine Minute
aus dem Fenster. Ein Lastwagenchauffeur beschimpfte auf der Straße einen
Kutscher mit einem von zwei Pferden gezogenen Grünkramwagen. Er beschimpfte ihn
mit der vollen Überlegenheit, die ein schwerer Motor verleiht. Ravic wandte
sich um. »Fertig?«
»Ja.«
»Geben Sie mir die Brieftasche wieder zurück.« Er schob
sie unter das Kissen. Er fühlte, daß sie dünner war als vorher. »Packen Sie die
Sachen in Ihre Handtasche«, sagte er.
Sie tat es gehorsam. Ravic nahm die Rechnung und sah sie
durch. »Haben Sie hier schon einmal eine Rechnung bezahlt?«
»Ich weiß es nicht.
Ich glaube schon.«
»Dies ist eine Rechnung für zwei Wochen. Bezahlte …«
Ravic zögerte einen Moment. Es schien ihm sonderbar, von dem Toten als Herrn
Raszinsky zu sprechen. »Wurden die Rechnungen immer pünktlich bezahlt?«
»Ja, immer. Er sagte oft, daß … in seiner Lage es wichtig
wäre, immer pünktlich da zu zahlen, wo man müßte.«
»Dieser Halunke von Wirt! Haben Sie eine Ahnung, wo die
letzte Rechnung sein kann?«
Es klopfte. Ravic
konnte sich nicht enthalten zu lächeln. Der Hausknecht brachte die Koffer
herein. Der Wirt folgte ihm.
»Sind das alle?« fragte Ravic die Frau.
»Ja.«
»Natürlich sind das alle«, grunzte der Wirt. »Was dachten
Sie denn?«
Ravic nahm einen kleinen Koffer. »Haben Sie einen
Schlüssel dazu? Nein? Wo können die Schlüssel sein?«
»Im Schrank. In
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