E.M. Remarque
und wurden rot
und feucht unter dem Gewicht, und der Tote schwebte über ihnen. Ravic sah ihnen
nach, bis sie unten waren. Dann ging er zurück.
Die Frau stand am Fenster und sah hinaus. Auf der Straße
das Auto. Die Gehilfen schoben die Bahre hinein wie ein Bäcker Brot in einen
Ofen. Dann kletterten sie auf die Sitze, der Motor heulte auf, als schrie
jemand aus der Erde, und der Wagen schoß in einer scharfen Kurve um die Ecke.
Die Frau drehte sich um. »Sie hätten vorher weggehen
sollen«, sagte Ravic. »Wozu mußte sie das letzte noch sehen?«
»Ich konnte nicht. Ich konnte nicht von ihm gehen.
Verstehen Sie das nicht?«
»Ja. Kommen Sie. Trinken Sie noch ein Glas.«
»Nein.«
Veber hatte den Lichtschalter angedreht, als die Polizei
und die Ambulanz kamen. Der Raum erschien jetzt größer, seit der Körper fort
war. Größer und sonderbar tot, als wäre der Körper fortgegangen und der Tod
allein geblieben.
»Wollen Sie hier im Hotel bleiben? Doch sicher nicht?«
»Nein.«
»Haben Sie Bekannte hier?«
»Nein. Niemand.«
»Wissen Sie ein Hotel, in das Sie möchten?«
»Nein.«
»In der Nähe ist ein kleines Hotel, ähnlich wie dieses.
Sauber und ehrlich. Wir könnten dort etwas für Sie finden. Hotel Milan.«
»Kann ich nicht in das Hotel gehen, wo …? In Ihr Hotel?«
»Ins International?«
»Ja. Ich … es ist … ich kenne es nun schon etwas. Es ist
besser als ein ganz unbekanntes.«
»Das International ist kein gutes Hotel für Frauen«,
sagte Ravic. Das fehlte noch, dachte er. Im selben Hotel. Ich bin kein
Krankenwärter. Und dann – vielleicht dachte sie, er hätte bereits eine
Verpflichtung. Es gab das. »Ich kann Ihnen nicht dazu raten«, sagte er
schroffer, als er gewollt hatte. »Es ist immer überfüllt. Mit Refugiés. Besser,
Sie gehen zum Hotel Milan. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie es ja immer
noch wechseln.«
Die Frau sah ihn an. Er hatte das Gefühl, daß sie wußte,
was er dachte, und er war beschämt. Aber es war besser, einen Augenblick
beschämt zu sein und dafür später Ruhe zu haben.
»Gut«, sagte die Frau. »Sie haben recht.«
Ravic ließ die Koffer hinunter in ein Taxi bringen. Das
Hotel Milan war nur wenige Minuten entfernt. Er mietete ein Zimmer und ging mit
der Frau hinauf. Es war ein Raum im zweiten Stock mit einer Tapete mit
Rosengirlanden, einem Bett, einem Schrank und einem Tisch mit zwei Stühlen.
»Ist das genug?« fragte er.
»Ja. Sehr gut.«
Ravic musterte die Tapete. Sie war schauderhaft. »Es
scheint immerhin hell zu sein«, sagte er. »Hell und sauber.«
»Ja.«
Die Koffer wurden heraufgebracht. »So, jetzt haben Sie
alles hier.«
»Ja. Danke. Danke vielmals.«
Die Frau saß auf dem Bett. Ihr Gesicht war sehr blaß und
verwaschen. »Sie sollten schlafen gehen. Glauben Sie, daß Sie es können?«
»Ich werde es versuchen.«
Ravic zog eine Aluminiumröhre aus der Tasche und
schüttelte ein paar Tabletten heraus. »Hier ist etwas zum Schlafen. Mit einem
Glas Wasser. Wollen Sie es jetzt nehmen?«
»Nein, später.«
»Gut. Ich werde jetzt
gehen. In den nächsten Tagen werde ich nach Ihnen fragen. Versuchen Sie, sobald
wie möglich zu schlafen. Hier ist die Adresse des Beerdigungsinstituts, wenn
Sie noch etwas zu tun haben. Gehen Sie nicht hin. Denken Sie an sich. Ich werde
nach Ihnen fragen.« Ravic zögerte einen Moment. »Wie heißen Sie?« fragte er.
»Madou. Joan Madou.«
»Joan Madou. Gut. Ich werde das behalten.« Er wußte, daß
er es nicht behalten würde und daß er nicht nachfragen würde. Aber da er es wußte,
wollte er den Schein aufrechterhalten. »Ich werde es doch lieber aufschreiben«,
sagte er und zog einen Rezeptblock aus der Tasche. »Hier – wollen Sie es selbst
schreiben? Es ist einfacher.«
Sie nahm den Block und schrieb ihren Namen. Er blickte
darauf, riß das Blatt ab und
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