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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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zu. »Sa­gen Sie jetzt nicht nein.«
    Er trank den Ko­gnak. Zwölf Ta­ge, dach­te er. Zwölf Ta­ge,
bis Haa­ke wie­der in Pa­ris sein wird. Zwölf Ta­ge, die her­um­ge­bracht wer­den
müs­sen. Zwölf Ta­ge – sein Le­ben hat­te nicht mehr als sie, und er konn­te nicht
dar­über hin­aus den­ken. Zwölf Ta­ge – da­hin­ter gähn­te ein Ab­grund. Es war gleich,
wie er die Zeit hin­ter sich brach­te. Ein Ko­stüm­fest – was war noch gro­tesk in
die­sen schwim­men­den zwei Wo­chen? »Gut, Ka­te.«
    Er ging noch ein­mal zu Du­rants Kli­nik. Die Frau mit den
rot­gol­de­nen Haa­ren schlief. Di­cke Schweiß­trop­fen stan­den auf ih­rer Stirn. Das
Ge­sicht hat­te Far­be, und der Mund war leicht ge­öff­net. »Fie­ber?« frag­te er die
Schwes­ter.
    »Sie­ben­und­drei­ßig acht.«
    »Gut.« Er beug­te sich
dich­ter über das feuch­te Ge­sicht. Er fühl­te den Atem. Es war kein Äther mehr
dar­in. Es war ein Atem, frisch wie Thy­mi­an. – Thy­mi­an, er­in­ner­te er sich, ei­ne Berg­wie­se
im Schwarz­wald, krie­chend, atem­los durch die hei­ße Son­ne, ir­gend­wo un­ten die
Ru­fe der Ver­fol­ger – und der be­täu­ben­de Duft von Thy­mi­an. Son­der­bar, wie man
al­les ver­gaß, nur die Ge­rü­che nicht. Thy­mi­an – noch in zwan­zig Jah­ren wür­de
sein Ge­ruch das Bild des Ta­ges der Flucht in den Schwarz­wald em­por­rei­ßen aus
den ver­staub­ten Fal­ten der Er­in­ne­rung, als wä­re es ges­tern ge­we­sen. Nicht in
zwan­zig Jah­ren, dach­te er – in zwölf Ta­gen.
    Er ging, durch die war­me Stadt zum Ho­tel. Es war ge­gen
drei Uhr. Er stieg die Trep­pen­stu­fen em­por. Vor sei­ner Tür lag ein wei­ßes
Ku­vert. Er hob es auf. Es trug sei­nen Na­men, aber es hat­te kei­ne Mar­ke und
kei­nen Stem­pel. Jo­an, dach­te er und öff­ne­te es. Ein Scheck fiel her­aus. Es war
Du­rant. Ra­vic sah gleich­gül­tig auf die Zif­fer. Dann sah er noch ein­mal hin. Er
glaub­te es nicht. Es wa­ren nicht die üb­li­chen zwei­hun­dert Frank. Es wa­ren
zwei­tau­send. Muß ei­ne ver­damm­te Angst ge­habt ha­ben, dach­te er. Zwei­tau­send
Frank frei­wil­lig von Du­rant – das war das ach­te Welt­wun­der.
    Er steck­te den Scheck in sei­ne Brief­ta­sche und leg­te
einen Pack Bü­cher auf den Tisch ne­ben sei­nem Bett. Er hat­te sie vor zwei Ta­gen
ge­kauft, um zu le­sen, wenn er nicht schla­fen konn­te. Es war son­der­bar mit
Bü­chern – sie wur­den wich­ti­ger und wich­ti­ger für ihn. Sie konn­ten nicht al­les
er­set­zen, aber sie reich­ten ir­gend­wo­hin, wo­hin nichts an­de­res mehr reich­te. Er
er­in­ner­te sich, daß er in den ers­ten Jah­ren kei­ne an­ge­rührt hat­te; sie wa­ren
blaß ge­we­sen ge­gen das, was ge­sche­hen war. Jetzt aber wa­ren sie be­reits ein
Wall – wenn sie auch nicht schütz­ten, so konn­te man sich doch an sie leh­nen.
Sie hal­fen nicht viel; aber sie be­wahr­ten in ei­ner Zeit, die in die Fins­ter­nis
zu­rück­jag­te, vor der letz­ten Ver­zweif­lung. Das war ge­nug. Ir­gend­wann wa­ren
Ge­dan­ken ge­dacht wor­den, die heu­te ver­ach­tet und ver­lacht wur­den; aber sie
wa­ren ge­dacht wor­den und sie wür­den blei­ben, und das war ge­nug.
    Be­vor er zu le­sen an­fan­gen konn­te, klin­gel­te das Te­le­fon.
Er nahm den Hö­rer nicht ab. Es klin­gel­te lan­ge. Ei­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter, als es
still war, hob er den Hö­rer und frag­te den Con­cier­ge, wer an­ge­ru­fen ha­be. »Sie
hat ih­ren Na­men nicht ge­sagt«, er­klär­te der Mann.
    Ra­vic hör­te, daß er aß.
    »War es ei­ne Frau?«
    »Ja.«
    »Mit ei­nem Ak­zent?«
    »Das weiß ich nicht.« Der Mann aß wei­ter. Ra­vic rief
Ve­bers Kli­nik an. Nie­mand hat­te von dort te­le­fo­niert. Auch von Du­rants Hos­pi­tal
nicht. Er rief noch das Lan­cas­ter an. Die Te­le­fo­nis­tin sag­te ihm, nie­mand ha­be
von da sei­ne Num­mer an­ge­ru­fen. Es muß­te al­so Jo­an ge­we­sen sein. Wahr­schein­lich
hat­te sie von der Sche­herazade aus te­le­fo­niert.
    Nach ei­ner Stun­de klin­gel­te das Te­le­fon wie­der. Ra­vic
leg­te das Buch bei­sei­te. Er stand auf und ging zum Fens­ter. Er stütz­te die
Ell­bo­gen auf das Fens­ter­brett und war­te­te. Der leich­te Wind brach­te den Ge­ruch
von Li­li­en her­auf. Der

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