E.M. Remarque
sagte er.
»Liebst du sie?«
»Was geht es dich an?«
»Liebst du sie?«
»Was geht es dich wirklich an, Joan?«
»Alles! Solange du niemand liebst …« Sie stockte.
»Vorher hast du die Frau eine Hure genannt. Wie kann da
von Liebe die Rede sein?«
»Das habe ich nur so gesagt. Ich habe sofort gesehen, daß
sie keine war. Deshalb habe ich es gesagt. Wegen einer Hure wäre ich nicht
gekommen. Liebst du sie?«
»Mach das Licht aus und geh.«
Sie kam näher. »Ich wußte es. Ich sah es.«
»Geh zum Teufel«, sagte Ravic. »Ich bin müde. Geh zum
Teufel mit deiner billigen Scharade, von der du glaubst, sie sei etwas
Niedagewesenes – den einen für den Rausch, die rasche Liebe oder die Karriere –
und den andern, dem man erklärt, man liebe ihn, tiefer und anders – als Hafen
für die Zwischenzeit, wenn der Esel es hinnimmt. Geh zum Teufel; du hast mir zu
viele Arten von Liebe.«
»Das ist nicht wahr. Nicht wie du es sagst. Es ist
anders. Es ist nicht wahr. Ich will zu dir zurück. Ich werde zu dir
zurückkommen.«
Ravic füllte sein Glas wieder. »Möglich, daß du es
willst. Aber es ist nur eine Täuschung. Eine Täuschung, die du dir selbst
vormachst, leider, um darüber hinwegzukommen. Du wirst nie zurückkommen.«
»Doch!«
»Nein. Und wennschon, so nur für kurze Zeit. Dann wird
wieder ein anderer kommen, der nichts will als dich, nur dich, und so wird es
weitergehen. Eine großartige Zukunft für mich.«
»Nein, nein! Ich werde bei dir bleiben.«
Ravic lachte. »Meine Süße«, sagte er fast zärtlich. »Du
wirst nicht bei mir bleiben. Man kann den Wind nicht einsperren. Das Wasser
auch nicht. Wenn man es tut, werden sie faul. Eingesperrter Wind wird
abgestandene Luft. Du bist nicht gemacht für Dableiben.«
»Du auch nicht.«
»Ich?« Ravic trank sein Glas aus. Die mit dem rotgoldenen
Haar vom Morgen, dachte er – dann Kate Hegström, mit dem Tod im Bauch und der
Haut wie brüchige Seide – und nun diese hier, rücksichtslos, voll Gier zum
Leben, fremd noch sich selbst und doch vertrauter sich, als je ein Mann wissen
würde, naiv und hingerissen, treu in einem sonderbaren Sinne und treulos wie
ihre Mutter, die Natur, treibend und getrieben, halten wollend und verlassend.
»Ich?« wiederholte Ravic. »Was weißt du von mir? Was weißt du davon, wenn in
ein Leben, in dem alles fragwürdig geworden ist, die Liebe fällt? Was ist dein
billiger Rausch dagegen? Wenn aus Fallen und Fallen plötzlich Halt wird, wenn
das endlose Warum zu einem endlichen Du wird, wenn wie eine Fata Morgana über
der Wüste des Schweigens auf einmal das Gefühl sich hochwirft, sich formt, und
über machtlosen Händen die Gaukelei des Blutes zu einer Landschaft wird, gegen
die alle Träume blaß und bürgerlich sind? Eine Landschaft aus Silber, eine
Stadt aus Filigran und Rosenquarz, glänzend wie der hellste Widerschein von
glühendem Blut – was weißt du davon? Glaubst du, daß man darüber gleich reden
kann? Daß eine eilfertige Zunge es sofort pressen kann in das Klischee der
Worte und eben der Gefühle? Was weißt du davon, wenn sich Gräben öffnen und man
steht in Furcht vor den vielen farblosen Nächten des Gestern – doch sie öffnen
sich, und keine Gerippe bleiben mehr darin, nur Erde ist noch darin. Erde,
fruchtbarer Keim und das erste Grün bereits. Was weißt du davon? Du liebst den
Rausch, die Überwältigung, das fremde Du, das in dir untergehen will und nie
untergehen wird, du liebst den stürmischen Betrug des Blutes, aber dein Herz
wird leer bleiben – denn man behält nichts, als was selber in einem wächst. Und
im Sturm wächst nichf viel. Die leeren Nächte der Einsamkeit sind es, in denen
es wächst – wenn man nicht verzweifelt. Was weißt du davon?«
Er hatte langsam gesprochen, ohne Joan anzusehen, als
hätte er sie vergessen. Nun sah er sie an. »Was rede ich da?« sagte er. »Alte,
törichte
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