E.M. Remarque
andere Gruppe
Polizisten. Sie hatten Fahrräder bei sich. Einer von ihnen patrouillierte die
Straße entlang. Er blickte in Kate Hegströms Wagen. Ohne eine Miene zu
verziehen, schlenderte er weiter.
Kate Hegström sah Ravics Blick. »Er ist nicht
überrascht«, sagte sie. »Er weiß es. Die Polizei weiß alles. Der Ball bei den
Montforts ist das Ereignis des Sommers. Das Haus und der Garten werden von
Polizei umringt sein.«
»Das beruhigt mich außerordentlich.«
Kate Hegström lächelte. Sie wußte nichts von Ravics
Situation. »So viele Juwelen werden so bald nicht wieder zusammenkommen in
Paris. Echte Kostüme mit echten Juwelen. Die Polizei nimmt bei so etwas kein
Risiko. In der Gesellschaft werden bestimmt auch noch Detektive sein.«
»In Kostüm?«
»Möglich. Warum?«
»Gut zu wissen. Ich hatte vor, die Rothschildschen
Smaragde zu stehlen.«
Kate Hegström drehte das Fenster herunter. »Es langweilt
Sie, ich weiß es. Aber es hilft Ihnen diesmal nichts.«
»Es langweilt mich nicht. Im Gegenteil. Ich wüßte nicht,
was ich sonst hätte machen sollen. Gibt es genug zu trinken?«
»Ich glaube. Aber ich kann dem Headbutler einen Wink
geben. Ich kenne ihn ziemlich gut.«
Man hörte die Tritte der Demonstranten auf dem Pflaster.
Sie marschierten nicht. Sie gingen regellos. Es klang, als wandere eine müde
Herde vorüber.
»In welchem Jahrhundert möchten Sie leben, wenn Sie es
sich aussuchen könnten?«
»In diesem. Sonst wäre ich ja tot, und irgendein Idiot
würde mein Kostüm zu dieser Party tragen.«
»Das meine ich nicht. Ich meine, in welchem Sie Ihr Leben
noch einmal leben möchten?«
Ravic blickte auf den Samtärmel seines Kostüms. »Es hilft
nichts«, sagte er. »In unserem. Es ist das lausigste, blutigste, korrupteste,
farbloseste, feigste und dreckigste soweit – aber trotzdem.«
»Ich nicht.« Kate Hegström drängte die Hände zusammen,
als fröstele sie. Der weiche Brokat fiel über ihre dünnen Gelenke. »In diesem«,
sagte sie. »Im siebzehnten oder in einem früheren. In jedem – nur nicht in
unserem. Ich weiß das erst seit ein paar Monaten. Ich habe früher nie darüber
nachgedacht.« Sie drehte das Fenster ganz herunter. »Wie heiß es ist! Und wie
schwül! Ist der Zug noch nicht bald vorbei?« – »Ja. Das dort ist das Ende.«
Ein Schuß fiel aus der Richtung der Rue Cambronne. Im
nächsten Augenblick saßen die Polizisten an der Ecke auf ihren Fahrrädern. Eine
Frau schrie etwas. Ein plötzliches Grollen antwortete aus der Menge. Leute
begannen zu laufen. Die Polizisten traten in die Pedale und fuhren dazwischen,
ihre Knüppel schwingend.
»Was war das?« fragte Kate Hegström erschrocken.
»Nichts. Ein geplatzter Autoreifen.«
Der Chauffeur drehte sich um. Sein Gesicht hatte sich
verändernt. »Diese ...«
»Fahren Sie zu«, unterbrach Ravic ihn. »Sie können jetzt
durch.«
Die Kreuzung war leer, als hätte ein Windstoß sie
leergefegt. »Los«, sagte Ravic.
Von der Rue Cambronne kamen Schreie. Ein zweiter Schuß
fiel. Der Chauffeur fuhr an.
Sie standen auf der Terrasse zum Garten. Alles war
bereits voll von Kostümen. Aus der tiefen Dämmerung der Bäume blühten Rosen.
Kerzen in Windlichtern gaben ein flackerndes, warmes Licht. In einem Pavillon
spielte ein kleines Orchester ein Menuett. Das Ganze wirkte wie ein Watteau,
der lebendig geworden war.
»Schön?« fragte Kate Hegström. »Ja.«
»Wirklich?«
»Ja, Kate. Wenigstens so, von weitem.«
»Kommen Sie.
Lassen Sie uns durch den Garten gehen.« Unter den hohen, alten Bäumen
entfaltete sich ein unwirkliches Bild. Das Ungewisse Licht von vielen Kerzen
schimmerte auf silbernen und goldenen Brokaten, auf kostbaren, altblauen und
rosa und seegrünen Samten, es warf sanfte
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