E.M. Remarque
vernommen
warum? Weil er ein Katholik war und nicht glaubte, daß euer Führer der neue
Messias sei. Und Riesenfeld, dessen Kopf und Rücken rohen Fleischklumpen
glichen, und der uns anflehte, ihm die Adern aufzubeißen, weil er es nicht mehr
konnte ohne Zähne, nachdem er ›vernommen‹ war von dir – vernommen warum? Weil
er gegen den Krieg war und nicht glaubte, daß Kultur sich am vollkommensten in
Bomben und Flammenwerfern ausdrücke. Vernommen! Tausende habt ihr ›vernommen‹,
ja – die Hände ruhig, Schwein! Und jetzt habe ich dich endlich, und wir fahren
hinaus, da ist ein Haus mit dicken Mauern und völlig allein, und ich werde dich
›vernehmen‹ – langsam, langsam durch Tage hindurch, die Rosenbergkur, die
Willmannkur, die Riesenfeldkur, so, wie ihr es uns gezeigt habt! Und dann, nach
all dem ...«
Ravic spürte plötzlich, daß der Wagen raste. Er nahm das
Gas weg. Häuser. Ein Dorf. Hunde. Hühner. Pferde auf einer Weide, galoppierend,
die Hälse gestreckt, die Köpfe hochgeworfen, heidnisch. Zentauren, kraftvolles
Leben. Eine lachende Frau mit einem Wäschekorb. Auf den Leinen flatternd bunte
Wäschestücke, Fahnen geborgenen Glücks. Ein paar Kinder spielend vor den Türen.
Er sah das alles wie getrennt durch eine gläserne Wand, sehr nah und unglaublich
fern, voll von Schönheit und Frieden und Unschuld, schmerzhaft stark und
getrennt von ihm und unerreichbar für immer, nur durch diese Nacht. Er spürte
kein Bedauern – es war so, das war alles.
Langsam fahren. Die einzige Gelegenheit, angehalten zu werden,
die Dörfer zu durchrasen. Die Uhr. Er fuhr schon fast zwei Stunden. Wie war das
möglich? Er hatte es nicht gemerkt. Er hatte nichts gesehen,, nur das Gesicht,
gegen das er sprach …
St. Germain. Der Park. Schwarze Gitter vor dem blauen
Himmel und dann die Bäume. Bäume. Alleen von Bäumen. Ein Park von Bäumen,
erwartet, erwünscht, und plötzlich der Wald.
Der Wagen lief leiser. Der Wald hob sich, eine grüne und
goldene Woge, er warf sich rechts und links auf, er überflutete den Horizont
und schloß alles ein – auch das schnelle, glitzernde Insekt, das in ihm
zickzackte.
Der Grund war weich und mit Gebüsch überwuchert. Es war
weitab von der Straße. Ravic ließ den Wagen einige hundert Meter entfernt
stehen, so daß er ihn sehen konnte. Dann nahm er den Spaten und begann den
Grund aufzuschaufeln. Es ging leicht. Wenn jemand kam und den Wagen sah, konnte
er den Spaten verbergen und als harmloser Spaziergänger zurückkommen.
Er grub tief genug, um genügend Erde über dem Körper zu
haben. Dann fuhr er den Wagen heran. Ein toter Körper war schwer. Trotzdem fuhr
er nur so weit heran, wie harter Grund war, um keine Reifenspuren zu
hinterlassen.
Der Körper war noch schlaff. Er schleppte ihn zu dem
Erdloch und begann, die Kleider abzureißen und auf einen Haufen zu werfen. Es
war einfacher, als er dachte. Er ließ den nackten Körper liegen, nahm die
Kleider, steckte sie in den Kofferraum und fuhr den Wagen zurück. Er schloß die
Türen und den Kofferraum ab und nahm einen Hammer mit. Er mußte damit rechnen,
daß der Körper durch Zufall gefunden wurde, und er wollte jede Identifikation
vermeiden.
Es fiel ihm einen Moment schwer, zurückzugehen. Er spürte
einen fast unwiderstehlichen Drang, die Leiche liegenzulassen, in den Wagen zu
steigen und davonzujagen. Er blieb stehen und blickte sich um. An einem
Buchenstamm, ein paar Meter entfernt, jagten sich zwei Eichhörnchen. Ihre roten
Pelze leuchteten in der Sonne. – Er ging weiter.
Gedunsen. Bläulich. Er legte einen Fetzen Wollstoff, voll
von Öl, über das Gesicht und begann, es mit dem Hammer zu zerschlagen. Nach dem
ersten Schlag hielt er inne. Es klang sehr dumpf. Dann schlug er rasch weiter.
Nach einer Weile lüftete er den
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