E.M. Remarque
Haake wieder aus dem Wagen und schleppte ihn zum Rückende des Wagens. Haake
war noch nicht tot. Er war sehr schwer. Der Schweiß rann Ravic vom Gesicht. Es
gelang ihm, den Körper in den Kofferverschlag zu pressen. Er preßte ihn hinein
wie ein Embryo, die Knie hochgeschoben.
Er nahm das Werkzeug, eine Schaufel und den Wagenheber
vom Straßenrand und legte sie vorne in den Wagen. Ein Vogel begann in einem der
Bäume neben ihm zu singen. Er schrak zusammen. Es schien ihm lauter als alles,
was er je gehört hatte. Er sah auf die Wiese. Sie war wieder heller geworden.
Er konnte kein Risiko nehmen. Er ging zurück und hob den
Deckel des Kofferverschlags halb an. Er stellte den linken Fuß auf die hintere
Stoßstange und hielt mit den Knien den Deckel halb offen und nur so weit, daß
er mit den Händen darunterfassen konnte. Wenn jemand kam, sah es dann aus, als
arbeite er harmlos an etwas, und er konnte den Deckel sofort fallen lassen. Er
hatte einen langen Weg vor sich. Er mußte Haake vorher töten.
Der Kopf war nahe der rechten Ecke. Er konnte ihn sehen.
Der Hals war weich; der Puls der Adern ging noch. Er preßte die Hände scharf um
die Gurgel und hielt fest.
Es schien ewig zu dauern. Der Kopf ruckte etwas. Nur
wenig. Der Körper versuchte, sich zu strecken. Es schien, als sei er gefangen
in den Kleidern. Der Mund öffnete sich. Schrill begann der Vogel wieder zu
schmettern. Die Zunge kam heraus, dick, gelb, belegt. Und plötzlich öffnete
Haake ein Auge. Es quoll heraus, schien Licht zu bekommen und Sehen, es schien
sich zu lösen und auf Ravic zuzukommen – dann gab der Körper nach. Ravic hielt
ihn noch eine Zeitlang. Aus.
Der Deckel klappte herunter. Ravic ging noch ein paar
Schritte.
Dann spürte er seine
Knie zittern. Er hielt sich an einem Baum fest und kotzte. Es war ihm, als riß
es ihm den Magen heraus. Er versuchte, sich zu halten. Es nützte nichts.
Als er aufblickte, sah er einen Mann über die Wiese
kommen. Der Mann sah zu ihm hinüber. Ravic blieb stehen. Der Mann kam näher. Er
ging mit langsamen, achtlosen Schritten. Er war angezogen wie ein Gärtner oder
ein Arbeiter. Er sah zu Ravic hinüber. Ravic spuckte aus und zog ein Pack
Zigaretten heraus. Er zündete eine an und zog den Rauch ein. Der Rauch war
beißend und brannte im Hals. Der Mann kreuzte die Allee. Er blickte auf die
Stelle, wo Ravic gekotzt hatte, und dann auf den Wagen und dann auf Ravic. Er sagte
nichts, und Ravic konnte nichts in seinem Gesicht sehen. Er verschwand hinter
der Kreuzung mit langsamen Schritten.
Ravic wartete noch einige Sekunden. Dann schloß er den
Kofferdeckel des Wagens ab und ließ den Motor an. Er konnte nichts mehr im Bois
tun. Es war zu hell. Er mußte nach St. Germain fahren. Er kannte die Wälder
dort.
30
30 Er
hielt nach einer Stunde vor einem kleinen Gasthaus. Er war sehr hungrig,
und sein Kopf war dumpf. Er parkte den Wagen vor dem Haus, wo zwei Tische und
ein paar Stühle standen. Er bestellte Kaffee und Brioches und ging, sich zu
waschen. Der Waschraum stank. Er ließ sich ein Glas geben und spülte sich den
Mund aus. Dann wusch er seine Hände und ging zurück.
Das Frühstück stand auf dem Tisch. Der Kaffee roch wie
alle Kaffees der Welt. Schwalben umflogen die Dächer, die Sonne hängte ihre
ersten goldenen Gobelins an die Häuserwände, Leute gingen zur Arbeit, und
hinter den Perlenvorhängen des Bistros scheuerte eine Magd mit aufgeschürzten
Röcken die Fliesen. Es war der friedlichste Sommermorgen, den Ravic seit langem
gesehen hatte.
Er trank den heißen Kaffee. Aber er konnte sich nicht
entschließen, zu essen. Er wollte nichts anfassen mit seinen Händen. Er sah sie
an. Unsinn, dachte er. Verdammt, ich will keine Komplexe kriegen. Ich muß
essen. Er trank noch eine Tasse Kaffee. Er holte eine Zigarette hervor und
achtete darauf, nicht das
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