E.M. Remarque
Stofflumpen. Das Gesicht war eine unkenntliche
Masse, voll von geronnenem, schwarzem Blut. Wie Riesenfelds Kopf, dachte er. Er
spürte, daß seine Zähne fest zusammengebissen waren. Nicht wie Riesenfelds
Kopf, dachte er. Riesenfelds Kopf war schlimmer: er lebte noch.
Der Ring an der rechten Hand. Er zog ihn ab und schob den
Körper in das Loch. Das Loch war etwas zu kurz. Er bog die Knie gegen den
Bauch. Dann schaufelte er die Erde ein. Es ging schnell. Er stampfte sie
zurecht und packte Moosstücke, die er vorher mit dem Spaten ausgeschnitten
hatte, darüber. Sie paßten. Man sah die Ränder nur noch, wenn man sich bückte.
Er schob das Gebüsch zurecht.
Der Hammer. Die Schaufel. Der Lappen. Er legte sie zu den
Kleidern in den Kofferraum. Dann ging er noch einmal zurück, langsam, nach
Spuren suchend. Er fand fast keine mehr. Den Rest würden etwas Regen und ein
paar Tage Wachsen besorgen.
Sonderbar: die Schuhe
eines toten Mannes. Die Strümpfe. Die Wäsche. Der Anzug weniger. Die Strümpfe,
das Hemd, das Unterzeug – geisterhaft verwelkt bereits, voll einer
mitgestorbenen Aura. Es war scheußlich, sie anzufassen und nach Monogrammen und
Schneideretiketts zu suchen.
Ravic tat es rasch. Er schnitt sie heraus. Dann rollte er
die Sachen in ein Bündel zusammen und vergrub sie. Es war mehrere Kilometer von
dem Platz entfernt, wo er die Leiche eingegraben hatte – weit genug, um zu
verhüten, daß man beide zu gleicher Zeit fand.
Er fuhr weiter, bis er an einen Bach kam. Er nahm die
ausgeschnittenen Etiketts und wickelte sie in Papier. Dann zerriß er das
Notizbuch Haakes in kleine Stücke und durchsuchte die Brieftasche. Sie enthielt
zwei Tausend-Frank-Scheine, das Fahrscheinheft nach Berlin, zehn Mark, einige
Zettel mit Adressen und Haakes Paß. Ravic steckte das französische Geld ein. In
Haakes Tasche hatte er noch ein paar Fünf-Frank-Scheine gefunden.
Das Fahrscheinheft sah er einen Augenblick an. Nach
Berlin, es war merkwürdig, das zu sehen: nach Berlin. Er zerriß es und legte es
zu dem andern. Den Paß betrachtete er lange. Er war gültig für drei Jahre. Es
war eine Versuchung, ihn zu behalten und damit zu leben. Es paßte zu der ganzen
Art von Existenz, die er führte. Er würde sich nicht besonnen haben, wenn es
ungefährlich gewesen wäre.
Er zerriß ihn. Den Zehn-Mark-Schein auch. Die Schlüssel
Haakes, den Revolver und die Quittung für den Koffer behielt er. Er wollte
überlegen, ob er den Koffer abholen sollte, um jede Spur in Paris zu
verwischen. Die Hotelquittung hatte er gefunden und zerrissen.
Er verbrannte alles. Es dauerte länger, als er dachte,
aber er hatte Zeitungspapier, um die Stoffetzen zu verbrennen. Die Asche
streute er in den Bach. Dann untersuchte er den Wagen auf Blut. Es war nichts
zu finden. Er wusch den Hammer und den Engländer sorgfältig und packte das
Werkzeug zurück in den Kofferraum. Er wusch seine Hände, so gut es ging, holte
eine Zigarette hervor und blieb eine Weile sitzen und rauchte.
Die Sonne schien schräg durch die hohen Buchen. Ravic saß
und rauchte. Er war leer und dachte an nichts.
Erst als er wieder in die Straße zum Schloß
einschwang, dachte er an Sybil. Das Schloß stand weiß im hellen Sommer unter
dem ewigen Himmel des achtzehnten Jahrhunderts. Er dachte plötzlich an Sybil,
und zum erstenmal seit damals versuchte er nicht, Widerstand zu leisten und es
beiseite zu schieben und zu unterdrücken. Er war in seinen Erinnerungen nie
weitergekommen als bis zu dem Tag, als Haake sie hatte hereinführen lassen. Er
war nie weitergekommen, als bis zu dem Grauen und der wahnsinnigen Angst in
ihrem Gesicht. Alles andere war ausgelöscht worden davon. Und er war nie
weitergekommen als bis zu der Nachricht, daß sie sich erhängt hatte. Er hatte
es nie
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