E.M. Remarque
ist
dasselbe.«
»Es ist absolut nicht dasselbe.«
»Der Effekt ist derselbe«, sagte Ravic. »Und nun
entschuldigen Sie mich. Ich möchte einen Schnaps trinken, Adieu.«
»Adieu«, sagte Durant überrascht.
Kate Hegström lächelte. »Warum kommen Sie nicht mit,
Ravic?«
Sie stand vor ihm, schlank, sicher, auf hohen Beinen, die
Hände in den Taschen ihres Mantels. »Die Forsythien müssen jetzt schon blühen
in Fiesole. Gelbes Feuer die Gartenmauer entlang. Ein Kamin, Bücher, Frieden.«
Ein Lastwagen donnerte draußen über das Pflaster. Die
Glasrahmen der Bilder in dem kleinen Empfangsraum der Klinik klirrten. Es waren
Fotografien der Kathedrale von Chartres.
»Die Stille nachts. Weit weg von allem«, sagte Kate
Hegström. »Würden Sie das nicht lieben?«
»Ja. Aber ich würde es vielleicht nicht aushalten.«
»Warum nicht?«
»Stille ist nur gut, wenn man selbst still ist.«
»Ich bin nicht still.«
»Sie wissen, was Sie wollen. Das ist fast dasselbe.«
»Wissen Sie das nicht?«
»Ich will nichts.«
Kate Hegström knöpfte ihren Mantel langsam zu. »Was ist
das nun, Ravic? Glück oder Verzweiflung?«
Er lächelte ungeduldig. »Beides, wahrscheinlich. Beides,
wie fast immer. Man soll nicht zuviel darüber nachdenken.«
»Was soll man denn?«
»Sich freuen.«
Sie sah ihn an. »Dazu braucht man niemand anders«, sagte
sie.
»Dazu braucht man immer jemand anders.«
Er schwieg. Was rede ich da, dachte er. Reisegerede.
Abschiedsverlegenheit, sanftes Pastorengeschwätz. »Nicht für die kleinen
Glücke, von denen Sie einmal sprachen«, sagte er. »Die blühen überall, wie
Veilchen um ein niedergebranntes Haus. Wer nichts erwartet, wird nicht
enttäuscht – das ist eine gute Basis. Alles, was dann kommt, ist schon ein
bißchen dazu.«
»Es ist gar nichts«, erwiderte Kate Hegström. »Es ist nur
so, wenn man im Bett liegt und vorsichtig denkt. Nicht mehr, wenn man
herumgehen kann. Man verliert es dann wieder. Man will mehr.«
Ein schräger Strahl Licht vom Fenster fiel quer über ihr
Gesicht. Es ließ ihre Augen im Schatten; nur ihr Mund blühte einsam darin auf.
»Haben Sie einen Arzt in Florenz?« fragte Ravic.
»Nein. Brauche ich einen?«
»Es kann immer noch eine Kleinigkeit vorkommen. Irgend
etwas. Es ist beruhigender für mich, wenn ich weiß, daß Sie einen Arzt drüben
haben.«
»Ich fühle mich sehr wohl. Und wenn etwas passieren
sollte, kann ich ja zurückkommen.«
»Natürlich. Es ist auch nur eine Vorsicht. Es gibt in
Florenz einen guten Arzt: Professor Fiola. Wollen Sie das behalten? Fiola.«
»Ich werde es vergessen. Es ist doch nicht wichtig,
Ravic.«
»Ich werde ihm schreiben. Er wird sich um Sie kümmern.«
»Aber warum? Mir fehlt ja nichts.«
»Professionelle Vorsicht, Kate. Weiter nichts. Ich werde
ihm schreiben, er möchte Sie anrufen.«
»Meinetwegen.« Sie nahm ihre Handtasche. »Adieu, Ravic.
Ich gehe. Vielleicht fahre ich von Florenz gleich nach Cannes und von damit
der ›Conte di Savoya‹ nach New York. Sollten Sie einmal in Amerika sein, dann
werden Sie eine Frau in einem Landhaus mit einem Mann und Kindern und Pferden
und Hunden finden. Die Kate Hegström, die Sie kannten, lasse ich hier. Sie hat
ein kleines Grab in der Scheherazade. Trinken Sie ab und zu hinüber, wenn Sie
hingehen.«
»Gut. Mit Wodka.«
»Ja. Mit Wodka.« Sie stand unschlüssig in der Dämmerung
des Zimmers. Der Streifen Licht fiel jetzt hinter sie auf eine der Fotografien
von Chartres. Den Hochaltar mit dem Kreuz. »Sonderbar«, sagte sie. »Ich sollte
froh sein. Ich bin es nicht ...«
»Das ist so mit jedem Abschied, Kate. Sogar mit dem von
der Verzweiflung.«
Sie stand vor ihm, zaudernd, voll sanften Lebens,
entschlossen und etwas traurig. »Das einfachste bei einem Abschied ist immer,
zu gehen«, sagte Ravic. »Kommen Sie, ich bringe Sie hinaus.«
»Ja.«
Die
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