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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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ihn trä­ge an. »Wo­hin wol­len Sie denn?«
    Ra­vic spür­te plötz­lich ei­ne Wel­le hei­ßen Schre­ckens. Wo
war er? Wie hieß der Ort? Wie hieß die Sta­ti­on? Soll­te er Frei­burg sa­gen?
Ver­flucht, wes­halb wuß­te er nicht, wo er war? Er blick­te den Bahn­steig ent­lang.
Kein Orts­schild. Nir­gend­wo ein Na­me. Er lä­chel­te. »Ich bin auf Ur­laub«, sag­te
er.
    »Wo­hin wol­len Sie denn?« frag­te der Schaff­ner.
    »Ich fah­re so um­her. Ich bin hier aufs Ge­ra­te­wohl
aus­ge­stie­gen. Es ge­fiel mir vom Fens­ter her. Jetzt ge­fällt es mir nicht mehr.
Ich kann kei­ne Was­ser­fäl­le lei­den. Jetzt will ich wei­ter.«
    »Wo­hin wol­len Sie denn? Sie müs­sen doch wis­sen, wo­hin Sie
wol­len?«
    »Ich muß über­mor­gen in Frei­burg sein. Bis da­hin ha­be ich
Zeit. Es macht mir Spaß, so her­um­zu­fah­ren, oh­ne Ziel.«
    »Die­se Li­nie führt nicht nach Frei­burg«, sag­te der
Schaff­ner und sah ihn an.
    Was ma­che ich da für Un­sinn? dach­te Ra­vic. Wes­halb fra­ge
ich über­haupt? Wes­halb war­te ich nicht ein­fach? Wie kom­me ich hier­her? »Ich
weiß«, sag­te er. »Ich ha­be ja noch Zeit ge­nug. Gibt es hier ir­gend­wo einen
Kirsch? Ech­ten Schwarz­wäl­der Kirsch?«
    »Drü­ben in der Sta­ti­ons­wirt­schaft«, sag­te der Schaff­ner
und sah ihn im­mer noch an.
    Ra­vic ging lang­sam über den Per­ron. Sei­ne Schrit­te
hall­ten auf dem Ze­ment un­ter dem of­fe­nen Dach der Sta­ti­on. Im War­te­raum ers­ter
und zwei­ter Klas­se sah er zwei Män­ner sit­zen. Er fühl­te ih­re Bli­cke in sei­nem
Rücken. Ein paar Schwal­ben flo­gen un­ter dem Bahn­hofs­dach ent­lang. Er tat, als
ob er sie be­ob­ach­te­te, und sah aus den Au­gen­win­keln nach dem Schaff­ner. Der
fal­te­te die Zei­tung zu­sam­men. Dann folg­te er Ra­vic. Ra­vic ging in die
Wirt­schaft. Der Raum roch nach Bier. Nie­mand war da. Er ver­ließ die Knei­pe wie­der.
Der Schaff­ner stand drau­ßen. Er sah Ra­vic her­aus­kom­men und ging in den
War­te­raum. Ra­vic ging ra­scher. Er hat­te sich ver­däch­tig ge­macht, das wuß­te er
plötz­lich. An der Ecke des Ge­bäu­des sah er sich um. Nie­mand war auf dem
Bahn­steig. Ei­lig ging er zwi­schen der Ge­päck­ab­fer­ti­gung und dem lee­ren
Ge­päck­schal­ter durch. Er duck­te sich un­ter der Ge­päck­ram­pe vor­bei, auf der ein
paar Milch­kan­nen stan­den, und kroch un­ter dem Fens­ter ent­lang, hin­ter dem ein
Te­le­graf tick­te, bis er die an­de­re Sei­te des Ge­bäu­des er­reich­te. Vor­sich­tig sah
er sich um. Dann über­schritt er schnell die Schie­nen und lief über ei­ne
blü­hen­de Wie­se dem Tan­nen­wald zu. Die stau­bi­gen Kro­nen des Lö­wen­zahns flo­gen
auf, wäh­rend er durch die Wie­se lief. Als er bei den Tan­nen an­lang­te, sah er
den Schaff­ner und die bei­den Män­ner auf dem Per­ron ste­hen. Der Schaff­ner
deu­te­te auf ihn, und die bei­den Män­ner fin­gen an zu lau­fen. Er sprang zu­rück
und drück­te sich durch die Tan­nen. Die nad­li­gen Zwei­ge schlu­gen ihm ins
Ge­sicht. Er mach­te einen großen Bo­gen und stand still, um nicht zu ver­ra­ten, wo
er war. Er hör­te die Män­ner durch die Tan­nen bre­chen und lief wei­ter. Al­le
Au­gen­bli­cke lausch­te er. Manch­mal hör­te er nichts; dann war al­les nur War­ten.
Dann wie­der knack­te es, und er kroch auch wei­ter, auf der Er­de jetzt, um
we­ni­ger Lärm zu ma­chen. Er ball­te die Fäus­te und hielt den Atem an, wenn er
lausch­te. Er spür­te wie einen Krampf den Wunsch, auf­zu­sprin­gen und
da­von­zu­stür­men – aber da­mit hät­te er ver­ra­ten, wo er war. Er konn­te sich nur
be­we­gen, wenn die an­dern es auch ta­ten. Er lag in ei­nem Dickicht zwi­schen
blau­en Le­ber­blüm­chen. He­pa­ti­ca tri­bo­la, dach­te er. He­pa­ti­ca tri­bo­la, das
Le­ber­blüm­chen. Der Wald schi­en oh­ne En­de zu sein. Es knack­te jetzt über­all. Er
spür­te, wie ihm der Schweiß aus al­len Po­ren brach, als reg­ne sein Kör­per. Und
plötz­lich ga­ben sei­ne Bei­ne in den Kni­en nach, als wä­ren die Ge­len­ke weich
ge­wor­den. Er ver­such­te auf­zu­ste­hen, aber er sank ein. Der Bo­den war wie Mo­rast.
Er blick­te un­ter sich. Der Bo­den war hart. Es wa­ren die Bei­ne. Sie wa­ren aus Gum­mi.
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