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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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»Sol­len wir
mit der Nar­ko­se an­fan­gen, Herr Pro­fes­sor?«
    Du­rant schau­te sie an; dann be­schwö­rend und mit
Mensch­lich­keit Ra­vic.
    Ra­vic schau­te mensch­lich, aber fest zu­rück.
    »Was mei­nen Sie, Herr Dok­tor Ra­vic?« frag­te Du­rant.
    »Die Ent­schei­dung liegt bei Ih­nen, Pro­fes­sor.«
    »Ei­ne Mi­nu­te, Schwes­ter. Wir sind uns noch nicht ganz
klar über den Ver­lauf.« Die Schwes­ter zog sich zu­rück. Du­rant wand­te sich an
Ra­vic. »Was nun?« frag­te er vor­wurfs­voll.
    Ra­vic steck­te die Hän­de in die Ta­schen. »Ver­schie­ben Sie
die Ope­ra­ti­on auf mor­gen – oder um ei­ne Stun­de, und neh­men Sie Bi­not.«
    Bi­not hat­te zwan­zig Jah­re fast al­le Ope­ra­tio­nen Du­rants
ge­macht und war da­bei zu nichts ge­kom­men, weil Du­rant ihn sys­te­ma­tisch von fast
je­der Mög­lich­keit, et­was selb­stän­dig zu wer­den, ab­ge­schnit­ten und ihn stets als
bes­se­ren Hand­lan­ger ge­kenn­zeich­net hat­te. Er haß­te Du­rant und wür­de min­des­tens
fünf­tau­send Frank ver­lan­gen, das wuß­te Ra­vic. Du­rant wuß­te es auch.
    »Dok­tor Ra­vic«, sag­te er. »Un­ser Be­ruf soll­te nicht in
ge­schäft­li­che Dis­kus­sio­nen aus­ar­ten.«
    »Das fin­de ich auch.«
    »Warum über­las­sen Sie es nicht mei­ner Dis­kre­ti­on, die
Sa­che zu re­geln? Sie wa­ren doch bis­her stets zu­frie­den.«
    »Nie«, sag­te Ra­vic.
    »Das ha­ben Sie mir nie­mals ge­sagt.«
    »Weil es we­nig Zweck ge­habt hät­te. Au­ßer­dem hat es mich
nicht sehr in­ter­es­siert. Dies­mal in­ter­es­siert es mich. Ich brau­che das Geld.«
    Die Schwes­ter kam wie­der her­ein. »Der Pa­ti­ent ist
un­ru­hig, Herr Pro­fes­sor.«
    Du­rant starr­te Ra­vic an. Ra­vic starr­te zu­rück. Es war
schwer, ei­nem Fran­zo­sen Geld zu ent­rei­ßen, das wuß­te er. Schwe­rer als ei­nem
Ju­den. Ein Ju­de sieht das Ge­schäft, ein Fran­zo­se nur das Geld, das er her­ge­ben
soll.
    »Ei­ne Mi­nu­te, Schwes­ter«, sag­te Du­rant. »Neh­men Sie Puls,
Blut­druck und Tem­pe­ra­tur.«
    »Das ha­be ich schon.«
    »Dann fan­gen Sie mit der Nar­ko­se an.«
    Die Schwes­ter ging. »Al­so gut«, sag­te Du­rant mit ei­nem
Ent­schluß. »Ich wer­de Ih­nen tau­send ge­ben.«
    »Zwei­tau­send«, kor­ri­gier­te Ra­vic.
    Du­rant ging nicht dar­auf ein. Er fuhr über sei­nen wei­ßen
Kne­bel­bart. »Hö­ren Sie, Ra­vic«, sag­te er dann mit Wär­me. »Als Re­fu­gié, der
nicht prak­ti­zie­ren darf ...«
    »Dürf­te ich auch bei Ih­nen nicht ope­rie­ren«, sag­te Ra­vic
ru­hig. Er war­te­te jetzt nur noch auf die tra­di­tio­nel­le Er­klä­rung, daß er dank­bar
zu sein hät­te, im Lan­de ge­dul­det zu wer­den.
    Aber Du­rant ver­zich­te­te dar­auf. Er sah, daß er nicht
wei­ter­kam, und die Zeit dräng­te. »Zwei­tau­send«, sag­te er so bit­ter, als sei das
Wort ei­ne Bank­no­te, die ihm aus der Keh­le flat­ter­te. »Ich wer­de aus mei­ner ei­ge­nen
Ta­sche zah­len müs­sen. Ich dach­te, Sie wür­den sich er­in­nern, was ich für Sie
ge­tan ha­be.«
    Er war­te­te. Son­der­bar, dach­te Ra­vic, daß Blut­sau­ger so
gern mo­ra­lisch wer­den. Die­ser al­te Gau­ner mit der Ro­set­te der Eh­ren­le­gi­on im
Knopf­loch wirft mir vor, daß ich ihn aus­nüt­ze, an­statt sich zu schä­men. Und er
glaubt es so­gar noch.
    »Al­so zwei­tau­send«, sag­te Du­rant end­lich. »Zwei­tau­send«,
wie­der­hol­te er. Es war, als sag­te er Hei­mat, lie­ber Gott, grü­ne Spar­gel, jun­ge
Reb­hüh­ner, al­ter St. Emi­li­on. Da­hin! »Kön­nen wir jetzt an­fan­gen?«
    Der Mann hat­te einen fet­ten Spitz­bauch und dün­ne Ar­me
und Bei­ne. Ra­vic wuß­te zu­fäl­lig, wer er war. Er hieß Le­val und war ein Be­am­ter,
zu des­sen Res­sort die An­ge­le­gen­hei­ten der Emi­gran­ten ge­hör­ten. Ve­ber hat­te es
ihm er­zählt, als be­son­de­ren Witz.
    Le­val war ein Na­me, den je­der Re­fu­gié im In­ter­na­tio­nal
kann­te. Ra­vic mach­te rasch den ers­ten Schnitt. Die Haut öff­ne­te sich wie ein
Buch. Er klam­mer­te sie fest und sah auf das gelb­li­che Fett, das ihm
ent­ge­gen­quoll. »Wir wer­den ihn als Gra­tis­zu­ga­be ein paar Pfund leich­ter ma­chen.
Er kann sie sich dann wie­der an­fres­sen«, sag­te er zu

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