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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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«Das ist das Schö­ne an eu­rem Hof», sagt er be­geis­tert. «Wer
zwi­schen Denk­mä­lern liebt, hat auch kei­ne Angst vor Sär­gen. So kam es, daß nach
Jod und Pflas­ter und ei­nem Schluck Port­wein-Ver­schnitt der Sarg des Rie­sen doch
noch einen Zweck er­füll­te.»
    «Er
wur­de zur Lie­bes­lau­be?» fra­ge ich, um si­cher zu sein.
    «Der
Ka­va­lier ge­nießt und schweigt», er­wi­dert Wil­ke.
    In
die­sem Au­gen­blick tritt der Mond zwi­schen den Wol­ken her­vor. Weiß leuch­tet
un­ten der Mar­mor, schwarz schim­mern die Kreu­ze, und ver­streut da­zwi­schen se­hen
wir vier Lie­bes­paa­re, zwei im Mar­mor­la­ger, zwei im Gra­nit. Einen Au­gen­blick ist
al­les still und er­starrt in Über­ra­schung – es gibt jetzt nur die Flucht oder
das völ­li­ge Igno­rie­ren der ver­än­der­ten Si­tua­ti­on. Flucht ist nicht so
un­ge­fähr­lich; man ent­kommt zwar im Au­gen­blick, holt sich da­für aber einen
sol­chen neu­ro­ti­schen Schock, daß er zur Im­po­tenz füh­ren kann. Ich weiß das von
ei­nem Ge­frei­ten, der ein­mal von ei­nem Vi­ze­feld­we­bel der Pio­nie­re im Wald mit
ei­ner Kö­chin über­rascht wur­de – er war er­le­digt fürs Le­ben, und sei­ne Frau ließ
sich zwei Jah­re spä­ter von ihm schei­den.
    Die
Lie­bes­paa­re tun das Rich­ti­ge. Wie si­chern­de Hirsche wer­fen sie die Köp­fe her­um
– dann, die Au­gen auf das ein­zi­ge er­leuch­te­te Fens­ter ge­rich­tet, un­se­res, das
ja auch schon vor­her da war, ver­har­ren sie, als hät­te Kurt Bach sie aus­ge­hau­en.
Es ist ein Bild der Un­schuld, höchs­tens et­was lä­cher­lich, auch wie bei Bachs
Skulp­tu­ren. Gleich dar­auf wischt ein Wol­ken­schat­ten den Mond so hin­weg, daß
die­ser Teil des Gar­tens dun­kel ist und nur der Obe­lisk noch Licht hat. Aber wer
steht dort, ein glit­zern­der Spring­brun­nen? Der pis­sen­de Knopf, wie die Sta­tue
in Brüs­sel, die je­der Sol­dat kennt, der in Bel­gi­en Ur­laub hat­te.
    Es
ist zu weit, um et­was zu tun. Ich füh­le mich heu­te auch nicht so. Wo­zu soll ich
wie ei­ne Haus­frau rea­gie­ren? Ich ha­be heu­te nach­mit­tag be­schlos­sen, die­sen
Platz zu ver­las­sen, und dar­um strömt mir das Le­ben jetzt dop­pelt stark zu, ich
füh­le es über­all, im Ge­ruch der Ho­bel­spä­ne und im Mond, im Hu­schen und Ra­scheln
im Hof und in dem un­säg­li­chen Wort Sep­tem­ber, in mei­nen Hän­den, die sich
be­we­gen und es fas­sen kön­nen, und in mei­nen Au­gen, oh­ne die al­le Mu­se­en der
Welt leer wä­ren, in Geis­tern, Ge­spens­tern, Ver­gäng­lich­keit und der wil­den Jagd
der Er­de vor­bei an Cas­sio­peia und den Ple­ja­den, in der Ah­nung von end­lo­sen
frem­den Gär­ten un­ter frem­den Ster­nen, von Stel­lun­gen in großen frem­den
Zei­tun­gen und von Ru­bi­nen, die jetzt in der Er­de zu ro­tem Leuch­ten
zu­sam­men­wach­sen, ich füh­le es, und das ver­hin­dert mich, ei­ne lee­re Bier­fla­sche
in die Rich­tung der Drei­ßig­se­kun­den­fon­tä­ne Knopf zu wer­fen –
    In
die­sem Au­gen­blick schla­gen die Uh­ren. Es ist eins. Die Geis­ter­stun­de ist
vor­über, wir kön­nen zu Wil­ke wie­der Sie sa­gen und uns ent­we­der wei­ter­be­trin­ken,
oder in den Schlaf hin­ab­stei­gen wie in ein Berg­werk, in dem es Koh­le, Lei­chen,
wei­ße Salz­pa­läs­te und be­gra­be­ne Dia­man­ten gibt.

XIX
    Sie sitzt in ei­ner
Ecke ih­res Zim­mers, ne­ben das Fens­ter ge­drückt. «Isa­bel­le», sa­ge ich.
    Sie
ant­wor­tet nicht. Ih­re Au­gen­li­der flat­tern wie Schmet­ter­lin­ge, die von Kin­dern
le­bend auf Na­deln ge­spießt sind.
    «Isa­bel­le»,
sa­ge ich. «Ich bin ge­kom­men, um dich ab­zu­ho­len.»
    Sie
erschrickt und drückt sich ge­gen die Wand. Sie sitzt steif und ver­krampft da.
«Kennst du mich nicht mehr?» fra­ge ich.
    Sie
bleibt still sit­zen; nur die Au­gen dre­hen sich zu mir her­über, wach­sam und sehr
dun­kel. «Der, der sich als Dok­tor aus­gibt, hat dich ge­schickt», flüs­tert sie.
    Es
ist wahr. Wer­ni­cke hat mich ge­schickt. «Er hat mich nicht ge­schickt», sa­ge ich.
«Ich bin heim­lich ge­kom­men. Kei­ner weiß, daß ich hier bin.»
    Sie
löst sich lang­sam von der Wand. «Du hast mich auch ver­ra­ten.»
    «Ich
ha­be dich nicht ver­ra­ten. Ich konn­te

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