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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Blick ei­nes Hun­des zu, den man tritt, wäh­rend er ge­ra­de dem Ruf
der Na­tur folgt. «Mußt du mich dar­an jetzt er­in­nern? An mein elen­des
Lie­bes­le­ben und die Ein­sam­keit ei­nes Man­nes im bes­ten Al­ter?»
    «Du
bist ein Op­fer dei­nes Be­rufs», sa­ge ich. «Nicht je­der kann das von sich sa­gen.
Komm zum Sou­per! So nennt man die­se Mahl­zeit in der ele­gan­ten Welt.»
    Wir
grei­fen zu Wurst und Kä­se und öff­nen die Bier­fla­schen. Der Ka­na­ri­en­vo­gel
be­kommt ein Sa­lat­blatt und bricht in Le­bens­ju­bel aus, oh­ne zu wis­sen, ob er
Athe­ist ist oder nicht. Kurt Bach hebt das erd­far­be­ne Ge­sicht und schnup­pert.
«Es riecht nach Ster­nen», er­klärt er.
    «Was?»
Wil­ke setzt sei­ne Fla­sche in die Ho­bel­spä­ne. «Was soll denn das nun wie­der?»
    «Um
Mit­ter­nacht riecht die Welt nach Ster­nen.»
    «Laß
doch die Wit­ze! Wie kann je­mand nur le­ben wol­len, wenn er an nichts glaubt und
dann noch so re­det?»
    «Willst
du mich be­keh­ren?» fragt Kurt Bach. «Du Erb­schlei­cher des Him­mels?»
    «Nein,
nein! Oder ja, mei­net­we­gen. Hat da nicht was ge­ra­schelt?»
    «Ja»,
sagt Kurt. «Die Lie­be.»
    Wir
hö­ren drau­ßen wie­der ein be­hut­sa­mes Schlei­chen. Ein zwei­tes Lie­bes­paar
ver­schwin­det im Denk­mals­wald. Man sieht den wei­ßen Fleck des wan­dern­den
Mäd­chen­klei­des.
    «Warum
se­hen ei­gent­lich die Men­schen so an­ders aus, wenn sie tot sind?» fragt Wil­ke.
«So­gar Zwil­lin­ge.»
    «Weil
sie nicht mehr ent­stellt sind», er­wi­dert Kurt Bach. Wil­ke hält im Kau­en in­ne.
«Wie­so denn das?»
    «Vom
Le­ben», sagt der Mo­nist.
    Wil­ke
klappt den Schnurr­bart her­un­ter und kaut wei­ter. «Um die­se Zeit könn­tet ihr
doch wohl mit dem Blöd­sinn auf­hö­ren! Ist euch denn nichts hei­lig?»
    Kurt
Bach lacht laut­los. «Du ar­me Ran­ke! Im­mer mußt du was ha­ben, um dich dran
fest­zu­hal­ten.»
    «Und
du?»
    «Ich
auch.» Die Au­gen in dem Ge­sicht aus Lehm glän­zen, als wä­ren sie aus Glas. Der
Sohn der Na­tur ist ge­wöhn­lich ver­schlos­sen und nichts an­de­res als ein
ge­schei­ter­ter Bild­hau­er mit ge­schei­ter­ten Träu­men; aber manch­mal bre­chen die
Ur­bil­der die­ser Träu­me aus ihm her­aus, so wie sie vor zwan­zig Jah­ren wa­ren, und
dann ist er auf ein­mal ein ver­spä­te­ter Faun mit Vi­sio­nen.
    Auf
dem Hof knis­tert und flüs­tert und schleicht es wie­der. «Vor vier­zehn Ta­gen gab
es drau­ßen mal einen Streit», sagt Wil­ke. «Ein Schlos­ser hat­te ver­ges­sen, sei­ne
Werk­zeu­ge aus der Ta­sche zu neh­men, und wäh­rend des stür­mi­schen Ak­tes müs­sen
sie sich so un­glück­lich ver­la­gert ha­ben, daß die Da­me plötz­lich von ei­ner
spit­zen Ah­le ge­sto­chen wur­de. Sie mit ei­nem Sprung auf, er­greift einen klei­nen
Bron­ze­kranz, schlägt ihn dem Me­cha­ni­ker über den Schä­del – ha­ben Sie denn das
nicht ge­hört?» fragt er mich.
    «Nein.»
    «Haut
ihm al­so den Bron­ze­kranz so über die Oh­ren, daß er ihn nicht her­un­ter­krie­gen
kann. Ich ma­che Licht, fra­ge, was los ist. Der Kerl, voll Angst, ga­lop­piert
los, den Bron­ze­kranz wie ein rö­mi­scher Staats­mann um den Schä­del – habt ihr
denn den Bron­ze­kranz nicht ver­mißt?»
    «Nein.»
    «So
was! Er al­so raus, als wenn ein Wes­pen­schwarm hin­ter ihm wä­re. Ich run­ter. Das
Fräu­lein steht noch da, sieht auf ih­re Hand. ,Blut!‘ sagt sie. ,Er hat mich
ge­sto­chen! Und das in ei­nem sol­chen Mo­ment!‘
    Ich
se­he am Bo­den die Ah­le und rei­me mir zu­sam­men, was pas­siert ist. Ich he­be die
Ah­le auf. ,Das kann Blut­ver­gif­tung ge­ben‘, sa­ge ich. ,Sehr ge­fähr­lich! Einen
Fin­ger kann man ab­bin­den; einen Hin­tern nicht. Selbst nicht einen so
rei­zen­den.‘ Sie er­rö­tet ...»
    «Wie
konn­test du das im Dun­keln se­hen?» fragt Kurt Bach. – «Es war Mond.»
    «Bei
Mond sieht man Er­rö­ten auch nicht.»
    «Man
fühlt es», er­klärt Wil­ke. «Sie er­rö­tet al­so, hält aber ihr Kleid im­mer weg vom
Kör­per. Sie trug ein hel­les Kleid, und Blut macht Fle­cken, die schwer zu
ent­fer­nen sind, des­halb. ,Ich ha­be Jod und Heft­pflas­ter‘, sa­ge ich. ,Und ich
bin dis­kret. Kom­men Sie!‘ Sie kommt und erschrickt nicht ein­mal.» Wil­ke wen­det
sich mir zu.

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