Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
stäh­lern un­ter dem Tor­bo­gen durch. Mein Zim­mer hat, wie das
Bü­ro dar­un­ter, zwei Fens­ter, ei­nes zum Hof und ei­nes zur Stra­ße. Ich leh­ne
einen Au­gen­blick im Hof­fens­ter und se­he in den Gar­ten. Plötz­lich tönt ein
er­stick­ter Schrei durch die Stil­le, dem ein Gur­geln und Stöh­nen folgt. Es ist
Hein­rich Kroll, der im an­dern Flü­gel schläft. Er hat wie­der ein­mal einen sei­ner
Alp­träu­me. 1918 ist er ver­schüt­tet wor­den, und heu­te, fünf Jah­re spä­ter, träumt
er im­mer noch ab und zu da­von.
    Ich
ko­che auf mei­nem Spi­ri­tus­ko­cher Kaf­fee, in den ich einen Schluck Kirsch gie­ße.
Ich ha­be das in Frank­reich ge­lernt, und Schnaps ha­be ich trotz der In­fla­ti­on
im­mer noch. Mein Ge­halt reicht zwar nie aus für einen neu­en An­zug – ich kann
da­für ein­fach das Geld nicht zu­sam­men­spa­ren, es wird zu rasch wert­los –, aber
für klei­ne Sa­chen ge­nügt es, und dar­un­ter na­tür­lich, als Trost, ab und zu für
ei­ne Fla­sche Schnaps.
    Ich
es­se mein Brot mit Mar­ga­ri­ne und Pflau­men­mar­me­la­de. Die Mar­me­la­de ist gut, sie
stammt aus den Vor­rä­ten von Mut­ter Kroll. Die Mar­ga­ri­ne ist ran­zig, aber das
macht nichts; im Krie­ge ha­ben wir al­le schlech­ter ge­ges­sen. Dann mus­te­re ich
mei­ne Gar­de­ro­be. Ich be­sit­ze zwei zu Zi­vilan­zü­gen um­ge­ar­bei­te­te
Mi­li­tä­r­uni­for­men. Der ei­ne ist blau, der an­de­re schwarz ge­färbt – viel mehr war
mit dem grau­grü­nen Stoff nicht zu ma­chen. Au­ßer­dem ha­be ich noch einen An­zug
aus der Zeit, be­vor ich Sol­dat wur­de. Er ist aus­ge­wach­sen, aber es ist ein
rich­ti­ger Zi­vil­an­zug, kein um­ge­ar­bei­te­ter oder ge­wen­de­ter, und des­halb zie­he
ich ihn heu­te an. Er paßt zu der Kra­wat­te, die ich ges­tern nach­mit­tag ge­kauft
ha­be und die ich heu­te tra­gen will, da­mit Isa­bel­le sie sieht.
    Fried­lich
wan­de­re ich durch die Stra­ßen der Stadt. Wer­den­brück ist ei­ne al­te Stadt von
60000 Ein­woh­nern, mit Holz­häu­sern und Ba­rock­bau­ten und scheuß­li­chen neu­en
Vier­teln da­zwi­schen. Ich durch­que­re sie und ge­he zur an­de­ren Sei­te hin­aus, ei­ne
Al­lee mit Roß­kas­ta­ni­en ent­lang und dann einen klei­nen Hü­gel hin­auf, auf dem
sich in ei­nem großen Park die Ir­ren­an­stalt be­fin­det. Sie liegt still und
sonn­täg­lich da, Vö­gel zwit­schern in den Bäu­men, und ich ge­he hin, um in der
klei­nen Kir­che der An­stalt für die Sonn­tags­mes­se die Or­gel zu spie­len. Ich ha­be
das wäh­rend mei­ner Vor­be­rei­tun­gen zum Schul­meis­ter ge­lernt und die­se Stel­lung
vor ei­nem Jahr als Ne­ben­be­ruf ge­schnappt. Ich ha­be meh­re­re sol­cher Ne­ben­be­ru­fe.
Ein­mal in der Wo­che er­tei­le ich den Kin­dern des Schuh­ma­cher­meis­ters Karl Brill
Kla­vier­un­ter­richt und be­kom­me da­für mei­ne Schu­he be­sohlt und et­was Geld – und
zwei­mal in der Wo­che ge­be ich dem fle­ge­li­gen Sohn des Buch­händ­lers Bau­er
Nach­hil­fe­stun­den, eben­falls für et­was Geld und das Recht, al­le neu­en Bü­cher zu
le­sen und Vor­zugs­prei­se zu be­kom­men, wenn ich wel­che kau­fen will. Die­se
Vor­zugs­prei­se wer­den na­tür­lich vom ge­sam­ten Dich­ter­klub aus­genützt, so­gar von
Eduard Kno­b­loch, der dann auf ein­mal mein Freund ist.
    Die Mes­se be­ginnt um
neun Uhr. Ich sit­ze an der Or­gel und se­he die letz­ten Pa­ti­en­ten her­ein­kom­men;
Sie kom­men lei­se und ver­tei­len sich auf die Bän­ke. Ein paar Wär­ter und
Schwes­tern sit­zen zwi­schen ih­nen und an den Sei­ten. Al­les geht sehr be­hut­sam
zu, viel laut­lo­ser als in den Bau­ern­kir­chen, in de­nen ich zur Zeit mei­ner
Schul­meis­te­rei ge­spielt ha­be. Man hört nur das Glei­ten der Schu­he auf dem
Stein­bo­den; sie glei­ten, sie tram­peln nicht. Es ist das Ge­räusch der Schrit­te
von Men­schen, de­ren Ge­dan­ken weit weg sind.
    Vor
dem Al­tar sind die Ker­zen an­ge­zün­det. Durch das bun­te Glas der Fens­ter fällt
das Licht von drau­ßen ge­dämpft her­ein und mischt sich mit dem Ker­zen­schein zu
ei­nem sanf­ten, rot und blau über­weh­ten Gold. Dar­in steht der Pries­ter in sei­nem
bro­ka­te­nen Meß­ge­wand, und auf den

Weitere Kostenlose Bücher