Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
her­aus­schme­cken kann, aus wel­cher Knei­pe
sie kommt. Er be­haup­tet, die Kel­ler wä­ren ver­schie­den, und er kön­ne das
un­ter­schei­den. Na­tür­lich nicht bei Korn in Fla­schen; nur bei Korn in Fäs­sern.
Er hat schon man­che Wet­te da­mit ge­won­nen.
    Ich
ste­he auf und se­he mich im Zim­mer um. Die De­cke ist nied­rig und schräg, und die
Bu­de ist nicht groß, aber ich ha­be dar­in, was ich brau­che – ein Bett, ein Re­gal
mit Bü­chern, einen Tisch, ein paar Stüh­le und ein al­tes Kla­vier. Vor fünf
Jah­ren, als Sol­dat im Fel­de, hät­te ich nie ge­glaubt, daß ich es wie­der ein­mal
so gut ha­ben wür­de. Wir la­gen da­mals in Flan­dern, es war der große An­griff am
Kem­mel­berg, und wir ver­lo­ren drei Vier­tel un­se­rer Kom­pa­nie. Ge­org Kroll kam mit
ei­nem Bauch­schuß am zwei­ten Tag ins La­za­rett, aber bei mir dau­er­te es fast drei
Wo­chen, bis ich mit ei­nem Knie­schuß er­wi­scht wur­de. Dann kam der Zu­sam­men­bruch,
ich wur­de schließ­lich Schul­meis­ter, mei­ne kran­ke Mut­ter hat­te das ge­wollt, und
ich hat­te es ihr ver­spro­chen, be­vor sie starb. Sie war so viel krank ge­we­sen,
daß sie dach­te, wenn ich einen Be­ruf mit le­bens­läng­li­cher An­stel­lung als
Be­am­ter hät­te, könn­te we­nigs­tens mir nichts mehr pas­sie­ren. Sie starb in den
letz­ten Mo­na­ten des Krie­ges, aber ich mach­te trotz­dem mei­ne Prü­fung und wur­de
auf ein paar Dör­fer in der Hei­de ge­schickt, bis ich ge­nug da­von hat­te, Kin­dern
Sa­chen ein­zu­trich­tern, an die ich selbst längst nicht mehr glaub­te, und
le­ben­dig be­gra­ben zu sein zwi­schen Er­in­ne­run­gen, die ich ver­ges­sen woll­te.
    Ich
ver­su­che
zu le­sen; aber es ist kein Wet­ter zum Le­sen. Der Früh­ling macht un­ru­hig, und in
der Däm­me­rung ver­liert man sich leicht. Al­les ist dann gleich oh­ne Gren­zen und
macht atem­los und ver­wirrt. Ich zün­de das Licht an und füh­le mich so­fort
ge­bor­ge­ner. Auf dem Tisch liegt ein gel­ber Ak­ten­de­ckel mit Ge­dich­ten, die ich
auf der Eri­ka-Schreib­ma­schi­ne in drei Durch­schlä­gen ge­tippt ha­be. Ab und zu
schi­cke ich ein paar die­ser Durch­schlä­ge an Zei­tun­gen. Sie kom­men ent­we­der
zu­rück, oder die Zei­tun­gen ant­wor­ten nicht; dann tip­pe ich neue Durch­schlä­ge
und pro­bie­re es wie­der. Nur drei­mal ha­be ich et­was ver­öf­fent­li­chen kön­nen, im
Ta­ge­blatt der Stadt, al­ler­dings mit Ge­orgs Hil­fe, der den Lo­kal­re­dak­teur kennt.
Im­mer­hin, das hat da­für ge­nügt, daß ich Mit­glied des Wer­den­brücker Dich­ter­klubs
ge­wor­den bin, der bei Eduard Kno­b­loch ein­mal in der Wo­che in der Alt­deut­schen
Stu­be tagt. Eduard hat kürz­lich ver­sucht, mich we­gen der Eß­mar­ken als mo­ra­lisch
de­fekt aus­schlie­ßen zu las­sen; aber der Klub hat ge­gen Eduards Stim­me er­klärt,
ich hand­le höchst eh­ren­wert, näm­lich so, wie seit Jah­ren die ge­sam­te In­dus­trie
und Ge­schäfts­welt un­se­res ge­lieb­ten Va­ter­lan­des – und au­ßer­dem ha­be Kunst mit
Mo­ral nichts zu schaf­fen.
    Ich
le­ge die Ge­dich­te bei­sei­te. Sie wir­ken plötz­lich flach und kin­disch, wie die
ty­pi­schen Ver­su­che, die fast je­der jun­ge Mensch ein­mal macht. Im Fel­de ha­be ich
da­mit an­ge­fan­gen, aber da hat­te es einen Sinn – es nahm mich für Au­gen­bli­cke
weg von dem, was ich sah, und es war ei­ne klei­ne Hüt­te von Wi­der­stand und
Glau­ben dar­an, daß noch et­was jen­seits von Zer­stö­rung und Tod exis­tie­re. Doch
das ist lan­ge her; ich weiß heu­te, daß noch vie­les an­de­re da­ne­ben exis­tiert,
und ich weiß auch, daß bei­des so­gar zur glei­chen Zeit exis­tie­ren kann. Mei­ne
Ge­dich­te brau­che ich da­zu nicht mehr; in mei­nen Bü­cher­re­ga­len ist das al­les
viel bes­ser ge­sagt. Aber was wür­de mit ei­nem pas­sie­ren, wenn das schon ein
Grund wä­re, et­was auf­zu­ge­ben? Wo blie­ben wir al­le? So schrei­be ich wei­ter, doch
oft ge­nug er­scheint es mir grau und pa­pie­ren ge­gen den Abend­him­mel, der jetzt
über den Dä­chern weit und ap­fel­far­ben wird, wäh­rend der vio­let­te Aschen­re­gen
der Däm­me­rung schon die Stra­ßen füllt.
    Ich
ge­he die Trep­pen hin­un­ter,

Weitere Kostenlose Bücher