E.M. Remarque
an. «Draußen? Warum? Suchst du da etwas?»
«Ich
glaube schon – wenn ich nur wüßte, was!»
Sie
lacht. «Gib es auf, Rolf. Man findet nie etwas.»
Ich
zucke zusammen unter dem Namen Rolf. Leider nennt sie mich öfter so, denn
ebenso wie sich selbst hält sie auch mich für jemand andern, und auch nicht
immer für denselben. Sie wechselt zwischen Rolf und Rudolf, und einmal kam auch
ein gewisser Raoul auf. Rolf ist ein langweiliger Patron, den ich nicht
ausstehen kann; Raoul scheint eine Art Verführer zu sein – am liebsten aber ist
es mir, wenn sie mich Rudolf nennt, dann ist sie schwärmerisch und verliebt.
Meinen wirklichen Namen, Ludwig Bodmer, ignoriert sie. Ich habe ihn ihr oft
gesagt; aber sie nimmt ihn einfach nicht zur Kenntnis.
In
den ersten Wochen war das alles ziemlich verwirrend für mich; aber jetzt bin
ich daran gewöhnt. Damals hatte ich auch noch die landläufige Auffassung von
Geisteskrankheiten und stellte mir darunter dauernde Tobsuchtsanfälle,
Mordversuche und lallende Idioten vor – um so überraschender hob sich Geneviève
davon ab. Ich konnte anfangs kaum glauben, daß sie überhaupt krank war, so
spielerisch erschien mir die Verwechslung von Namen und Identität, und auch
jetzt passiert mir das manchmal noch; dann aber begriff ich, daß hinter dieser
fragilen Konstruktion trotzdem lautlos das Chaos wehte. Es war noch nicht da,
aber es war nahe, und das gab Isabelle, zusammen damit, daß sie erst zwanzig
Jahre alt und durch ihre Krankheit oft von einer fast tragischen Schönheit war,
eine seltsame Anziehungskraft.
«Komm,
Rolf», sagt sie und nimmt meinen Arm.
Ich
versuche noch einmal, dem verhaßten Namen zu entfliehen. «Ich bin nicht Rolf»,
erkläre ich, «ich bin Rudolf.»
«Du
bist nicht Rudolf.»
«Doch,
ich bin Rudolf. Rudolf, das Einhorn.»
Sie
hat mich einmal so genannt. Doch ich habe kein Glück. Sie lächelt, so wie man
über ein störrisches Kind lächelt. «Du bist nicht Rudolf, und du bist nicht
Rolf. Aber du bist auch nicht, was du denkst. Und nun komm, Rolf.»
Ich
sehe sie an. Einen Moment habe ich wieder das Gefühl, als wäre sie nicht krank
und verstelle sich nur.
«Sei
nicht langweilig. Warum willst du immer derselbe sein?»
«Ja,
warum?» erwidere ich überrascht. «Du hast recht! Warum will man das? Was ist
schon an einem so dringend aufzubewahren? Und wozu nimmt man sich so wichtig?»
Sie
nickt. «Du und der Doktor! Der Wind weht zum Schluß doch über alles. Warum
wollt ihr es nicht zugeben?»
«Der
Doktor auch?» frage ich.
«Ja,
der, der sich so nennt. Was der alles von mir will! Dabei weiß er nichts. Nicht
einmal, wie Gras aussieht, nachts, wenn man nicht hinsieht.»
«Wie
kann das schon aussehen? Grau wahrscheinlich oder schwarz. Und silbern, wenn
der Mond scheint.»
Isabelle
lacht. «Das dachte ich mir! Du weißt es auch nicht. Genau wie der Doktor!»
«Wie
sieht es denn aus?»
Sie
bleibt stehen. Ein Windstoß treibt vorüber mit Bienen und dem Geruch von
Blüten. Der gelbe Rock weht wie ein Segel. «Es ist gar nicht da», sagt sie.
Wir
gehen weiter. Eine alte Frau in Anstaltskleidern kommt in der Allee an uns
vorüber. Ihr Gesicht ist rot und glänzt von Tränen. Zwei ratlose Angehörige
gehen neben ihr her. «Was ist denn da, wenn das Gras nicht da ist?» frage ich.
«Nichts.
Nur wenn man hinsieht, ist es da. Manchmal, wenn man sich sehr schnell umdreht,
kann man es noch erwischen.»
«Was?
Daß es nicht da ist?»
«Nein
– aber wie es zurücksaust an seinen Platz – das Gras und alles, was hinter dir
ist. Wie Dienstboten, die zum Tanz gegangen sind. Du mußt nur sehr rasch sein
beim Umdrehen, dann erwischt du sie noch – sonst sind sie schon da und tun
unschuldig, als wären sie nie fortgewesen.»
«Wer,
Isabelle?» frage ich sehr behutsam.
«Die
Dinge. Alles hinter dir. Es wartet doch nur darauf, daß du dich umdrehst, damit
es verschwinden kann!»
Ich
überlege mir das einen
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