E.M. Remarque
war
Vertrauensmann. Während nun der Mann aus Münster seine Brieftasche zückt, wird
Knopf plötzlich schneeweiß und fängt an zu schwitzen. Gleich darauf liegt er
schon auf der Erde und krümmt sich und kotzt und heult. Den Rest haben Sie ja
gesehen. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist? Der Kerl aus Münster ist in
der Aufregung durchgebrannt, ohne die Wette zu bezahlen. Und keiner kennt ihn,
und wir haben uns auch in der Aufregung die Autonummer des Kerls nicht
gemerkt.»
«Das
ist natürlich grauenhaft», sagt Georg.
«Wie
man es nimmt. Schicksal möchte ich sagen.»
«Schicksal»,
sage ich. «Wenn Sie etwas gegen Ihr Schicksal tun wollen, Herr Brüggemann, dann
gehen Sie nicht über die Hakenstraße zurück. Die Witwe Konersmann kontrolliert
dort den Verkehr mit einer starken Taschenlampe, die sie sich ausgeborgt hat,
in der einen und einer Bierflasche als Waffe in der anderen Hand. Nicht wahr,
Lisa?»
Lisa
nickt lebhaft. «Es ist eine volle Bierflasche. Wenn sie an Ihrem Schädel
zerspringt, haben Sie gleich etwas Kühlung.»
«Verdammt!»
sagt Brüggemann. «Wie komme ich hier raus? Ist dies eine Sackgasse?»
«Zum
Glück nein», erwidere ich. «Sie können hinten herum durch die Gärten zur
Bleibtreustraße entkommen. Ich rate Ihnen, bald aufzubrechen; es wird hell.»
Brüggemann
entschwindet. Heinrich Kroll besichtigt den Obelisken auf Schäden und verschwindet
ebenfalls.
«So
ist der Mensch», sagt Wilke etwas allgemein, nickt zu den Knopfschen Fenstern
empor, zum Garten hinüber, durch den Brüggemann schleicht, und wandert die
Treppe zu seiner Werkstatt wieder empor. Er scheint diese Nacht dort zu
schlafen und nicht zu arbeiten.
«Haben
Sie wieder eine spiritistische Blumen-Manifestation gehabt?» frage ich.
«Nein,
aber ich habe Bücher darüber bestellt.»
Frau
Kroll hat plötzlich bemerkt, daß sie ihre Zähne vergessen hat, und ist längst
geflüchtet. Kurt Bach verschlingt Lisas nackte braune Schultern mit
Kennerblicken, schiebt aber ab, als er keine Gegenliebe findet.
«Stirbt
der Alte?» fragt Lisa.
«Wahrscheinlich»,
erwidert Georg. «Es ist ein Wunder, daß er nicht schon lange tot ist.»
Der
Arzt kommt aus dem Hause Knopf. «Was ist es?» fragt Georg.
«Die
Leber. Er ist schon seit langem fällig. Ich glaube nicht, daß er es diesmal
schafft. Alles kaputt. Ein, zwei Tage, dann wird es vorbei sein.»
Knopfs
Frau erscheint. «Also keinen Tropfen Alkohol!» sagt der Arzt zu ihr. «Haben Sie
sein Schlafzimmer kontrolliert?»
«Genau,
Herr Doktor. Meine Töchter und ich. Wir haben noch zwei Flaschen von dem
Teufelszeug gefunden. Hier!»
Sie
holt die Flaschen, entkorkt sie und will sie auslaufen lassen.
«Halt»,
sage ich. «Das ist nun nicht gerade nötig. Die Hauptsache ist, daß Knopf sie
nicht kriegt, nicht wahr, Doktor?»
«Natürlich.»
Ein
kräftiger Geruch nach gutem Korn verbreitet sich.
«Was
soll ich denn damit im Hause machen?» klagt Frau Knopf. «Er findet sie überall.
Er ist ein kolossaler Spürhund.»
«Die
Sorge kann Ihnen abgenommen werden.»
Frau
Knopf händigt dem Arzt und mir je eine Flasche aus. Der Arzt wirft mir einen
Blick zu. «Was dem einen sein Verderben, ist dem andern seine Nachtigall», sagt
er und geht.
Frau
Knopf schließt die Tür hinter sich. Nur noch Lisa, Georg und ich stehen
draußen. «Der Arzt glaubt auch, daß er stirbt, was?» fragt Lisa.
Georg
nickt. Sein purpurner Pyjama wirkt schwarz in der späten Nacht. Lisa fröstelt
und bleibt stehen. «Servus», sage ich und lasse sie allein.
Von
oben sehe ich die Witwe Konersmann als Schatten vor ihrem Hause patrouillieren.
Sie lauert immer noch auf Brüggemanu. Nach einer Weile höre ich, wie unten
leise die Tür zugezogen wird. Ich starre in die Nacht und denke an Knopf und
dann an Isabelle. Gerade als ich schläfrig werde, sehe ich die Witwe
Weitere Kostenlose Bücher