E.M. Remarque
ein paar Stammgäste vor
kurzem einmal auf die Idee gekommen, Roth mit Briefen, in denen unflätige
Beschimpfungen standen, zu politischen Gegnern zu schicken – ebenso mit
zweideutigen Briefen zu alleinstehenden Frauen. Sie fanden das
zwerchfellerschütternd. Auch Heinrich Kroll fand, es sei kerniger,
volkstümlicher Humor. Heinrich ist in der Kneipe, unter seinesgleichen, überhaupt
ein ganz anderer Mann als bei uns; er gilt da sogar als Witzbold.
Roth
hat natürlich längst vergessen, in welchen Häusern Leute gefallen sind. Er
verteilt seine Karten wahllos, und obschon ein Beobachter der nationalen
Biertrinker mitging und aufpaßte, daß die beleidigenden Briefe des Stammtisches
an die richtigen Adressen gelangten, indem er Roth die Häuser zeigte und sich
dann versteckte, passierte doch ab und zu ein Irrtum, und Roth verwechselte ein
paar Briefe. So kam einer, der an Lisa gerichtet war, an den Vikar Bodendiek.
Er enthielt eine Aufforderung zum Geschlechtsverkehr um ein Uhr nachts im
Gebüsch hinter der Marienkirche gegen das Entgelt von zehn Millionen Mark.
Bodendiek beschlich die Beobachter wie Indianer, trat plötzlich zwischen sie, schlug
zweien, ohne zu fragen, die Schädel zusammen und gab dem flüchtenden dritten
einen so furchtbaren Fußtritt, daß er in die Luft gehoben wurde und nur mit
Mühe entkommen konnte. Erst dann stellte Bodendiek, ein Meister in der Kunst,
rasche Beichten zu erzielen, an die beiden Gefangenen seine Fragen, die durch
Ohrfeigen mit seinen riesigen Bauernpfoten unterstützt wurden. Die Bekenntnisse
kamen bald, und da die beiden Erwischten katholisch waren, stellte er ihre
Namen fest und befahl sie am nächsten Tag entweder zur Beichte oder zur
Polizei. Sie kamen natürlich lieber zur Beichte. Bodendiek gab ihnen das Ego te
absolvo, befolgte dabei aber das Rezept des Dompastors mit mir – er befahl
ihnen, als Buße eine Woche nicht zu trinken und dann wieder zum Beichten zu
kommen. Da beide fürchteten, exkommuniziert zu werden, wenn sie die Buße nicht
ausführten, und da sie es nicht soweit kommen lassen wollten, mußten sie wieder
erscheinen, und Bodendiek verdonnerte sie erbarmungslos, jede folgende Woche
wieder zu beichten und nicht zu trinken, und machte so aus ihnen
zähneknirschende, abstinente, erstklassige Christen. Er erfuhr nie, daß der
dritte Sünder der Major Wolkenstein war, der nach dem Fußtritt eine Prostatakur
durchmachen mußte, dadurch politisch noch bedeutend schärfer wurde und
schließlich zu den Nazis überging.
Die Türen zum Hause
Knopf stehen offen. Die Nähmaschinen summen. Am Morgen sind Stöße von schwarzem
Tuch hereingeschafft worden, und Mutter und Töchter arbeiten jetzt an ihren
Trauerkleidern. Der Feldwebel ist noch nicht tot, aber der Arzt hat erklärt,
daß es nur noch eine Sache von Stunden oder höchstens Tagen sein könne. Er hat
Knopf aufgegeben. Da die Familie es als schweren Reputationsverlust betrachten
würde, in hellen Kleidern dem Tode zu begegnen, wird eilig vorgesorgt. Im
Augenblick, wo Knopf den letzten Atemzug tut, wird die Familie gerüstet sein
mit schwarzen Kleidern, einem Trauerschleier für Frau Knopf, schwarzen,
undurchsichtigen Strümpfen für alle vier, und sogar mit schwarzen Hüten. Der kleinbürgerlichen
Ehrbarkeit wird Genüge getan sein.
Georgs
kahler Kopf schwimmt wie ein halber Käse über den Fensterrand heran. Er ist
begleitet von Tränen-Oskar.
«Wie
steht der Dollar?» frage ich, als sie eintreten.
«Genau
eine Milliarde heute um zwölf Uhr», erwidert Georg. «Wir können es als Jubiläum
feiern, wenn wir wollen.»
«Das
können wir. Und wann sind wir pleite?»
«Wenn
wir
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