Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
Plötz­lich
wacht sie mit ei­nem Ruck auf. Sie stößt mich von sich, und ich spü­re, wie ihr
Kör­per steif wird. Sie hält den Atem an. «Ich bin es», sa­ge ich. «Ich, Ru­dolf.»
    «Wer?»
    «Ich,
Ru­dolf. Ich bin bei dir ge­blie­ben.»
    «Du
hast hier ge­schla­fen?»
    Ih­re
Stim­me ist ver­än­dert. Sie ist hoch und atem­los. «Ich bin hier­geblie­ben», sa­ge
ich.
    «Geh!»
flüs­tert sie. «Geh so­fort!»
    Ich
weiß nicht, ob sie mich er­kennt. «Wo ist das Licht?»
    «Kein
Licht! Kein Licht! Geh! Geh!»
    Ich
ste­he auf und tas­te mich zur Tür. «Ha­be kei­ne Angst, Isa­bel­le», sa­ge ich.
    Sie
regt sich auf ih­rem Bett, als ver­su­che sie, die De­cke über sich zu zie­hen. «So
geh doch!» flüs­tert sie mit ih­rer ho­hen, ver­än­der­ten Stim­me. «Sie sieht dich
sonst, Ralph! Rasch!»
    Ich
zie­he die Tür hin­ter mir zu und ge­he die Trep­pe hin­un­ter. Un­ten sitzt die
Nacht­schwes­ter. Sie weiß, daß ich Er­laub­nis ha­be, Isa­bel­le zu be­su­chen. «Ist
sie ru­hig?» fragt sie.
    Ich
ni­cke und ge­he durch den Gar­ten dem Tor zu, durch das die Ge­sun­den her­ein- und
hin­aus­ge­hen. Was war nun das wie­der? den­ke ich. Ralph, wer mag das sein? Sie hat
mich noch nie so ge­nannt. Und was mein­te sie da­mit, daß man mich nicht se­hen
soll­te? Ich bin doch schon öf­ter abends in ih­rem Zim­mer ge­we­sen.
    Ich
ge­he zur Stadt hin­un­ter. Lie­be, den­ke ich, und mei­ne hoch­tra­ben­den Re­dens­ar­ten
fal­len mir wie­der ein. Ich füh­le ei­ne fast un­er­träg­li­che Sehn­sucht und ein
fer­nes Grau­en und et­was wie Flucht und ge­he schnel­ler und schnel­ler, der Stadt
ent­ge­gen mit ih­rem Licht, ih­rer Wär­me, ih­rer Vul­ga­ri­tät, ih­rem Elend, ih­rer
All­täg­lich­keit und ih­rer ge­sun­den Ab­kehr von Ge­heim­nis­sen und vom Cha­os, was
für einen Na­men man ihm auch ge­ben mag.
    Nachts er­wa­che ich von
vie­len Stim­men. Ich öff­ne das Fens­ter und se­he, daß der Feld­we­bel Knopf nach
Hau­se ge­bracht wird. Das ist bis­her noch nie ge­sche­hen; er ist bis­her im­mer
noch mit ei­ge­ner Kraft zu­rück­ge­kom­men, wenn ihm der Schnaps auch aus den Au­gen
lief. Er stöhnt stark. Rund­um wer­den ei­ni­ge Fens­ter hell.
    «Ver­fluch­ter
Sauf­bold!» kreischt es aus dem einen. Es ist die Wit­we Ko­ners­mann, die dort auf
der Lau­er liegt. Sie hat nichts zu tun und ist die Klatsch­tan­te der Stra­ße. Ich
ha­be sie in Ver­dacht, daß sie auch Ge­org und Li­sa längst be­ob­ach­tet.
    «Hal­ten
Sie die Schnau­ze!» ant­wor­tet von der dunklen Stra­ße ein an­ony­mer Held.
    Ich
weiß nicht, ob er die Wit­we Ko­ners­mann kennt. Auf je­den Fall er­gießt sich nach
ei­ner Se­kun­de stum­mer Em­pö­rung ein sol­ches Schimpf­spül­was­ser über den Mann,
über Knopf, über die Sit­ten der Stadt, des Lan­des und der Mensch­heit, daß die
Straß­te wi­der­hallt. End­lich schweigt die Wit­we. Ih­re letz­ten Wor­te sind, daß
sie Hin­den­burg, den Bi­schof, die Po­li­zei und die Ar­beit­ge­ber des un­be­kann­ten
Hel­den in­for­mie­ren wer­de. «Hal­ten Sie die Schnau­ze, Sie ekel­haf­te Beiß­zan­ge!»
er­wi­dert der Mann, der un­ge­wöhn­lich wi­der­stands­fä­hig zu sein scheint, un­ter dem
Schutz der Dun­kel­heit. «Herr Knopf ist schwer krank. Es wä­re bes­ser, Sie wä­ren
es.»
    Die
Wit­we tobt so­fort wie­der los, mit dop­pel­ter Kraft, was kei­ner für mög­lich
ge­hal­ten hät­te. Sie ver­sucht, mit ei­ner elek­tri­schen Ta­schen­lam­pe den
Miss­e­tä­ter vom Fens­ter aus zu er­ken­nen; aber das Licht ist zu schwach.
    «Ich
weiß, wer Sie sind!» ze­tert sie. «Sie sind Hein­rich Brüg­ge­mann! Zucht­haus
wer­den Sie da­für be­kom­men, ei­ne schutz­lo­se Wit­we zu be­lei­di­gen, Sie Mör­der!
Schon Ih­re Mut­ter ...»
    Ich
hö­re nicht wei­ter zu. Die Wit­we hat ein gu­tes Pu­bli­kum. Fast al­le Fens­ter sind
jetzt of­fen. Grun­zen und Bei­fall tö­nen her­aus. Ich ge­he nach un­ten.
    Knopf
wird ge­ra­de her­ein­ge­schleppt. Er ist weiß, Was­ser läuft ihm über das Ge­sicht,
und der Nietz­sche-Schnauz­bart hängt feucht über die Lip­pen. Mit ei­nem Schrei
macht er sich plötz­lich frei, tor­kelt ein paar Schrit­te vor­wärts und springt
un­ver­se­hens auf den Obe­lis­ken zu. Er

Weitere Kostenlose Bücher