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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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aus­ver­kauft ha­ben. Was trin­ken Sie, Herr Fuchs?»
    «Was
Sie ha­ben. Scha­de, daß es hier in Wer­den­brück kei­nen Wod­ka gibt!»
    «Wod­ka?
Wa­ren Sie im Krie­ge in Ruß­land?»
    «Und
wie! Ich war so­gar Fried­hofs­kom­man­dant in Ruß­land. Was wa­ren das für herr­li­che
Zei­ten!»
    Wir
bli­cken Os­kar über­rascht an. «Herr­li­che Zei­ten?» sa­ge ich. «Das be­haup­ten Sie,
der Sie so fein­füh­lig sind, daß Sie so­gar auf Be­fehl wei­nen kön­nen?»
    «Es
wa­ren herr­li­che Zei­ten», er­klärt Trä­nen-Os­kar fest und be­riecht sei­nen Korn,
als hät­ten wir vor, ihn zu ver­gif­ten. «Reich­lich zu es­sen, gut zu trin­ken,
an­ge­neh­mer Dienst, weit hin­ter der Front – was will man mehr? An den Tod ge­wöhnt
der Mensch sich ja wie an ei­ne an­ste­cken­de Krank­heit.»
    Er
pro­biert dan­dy­haft sei­nen Korn. Wir sind et­was per­plex über die Tie­fe sei­ner
Phi­lo­so­phie. «Man­che Leu­te ge­wöh­nen sich an den Tod auch wie an einen vier­ten
Mann beim Skat­spie­len», sa­ge ich. «Zum Bei­spiel der To­ten­grä­ber Lie­ber­mann. Für
den ist es so, als ob er auf dem Fried­hof einen Gar­ten be­ar­bei­tet. Aber ein
Künst­ler wie Sie –!»
    Os­kar
lä­chelt über­le­gen. «Da ist noch ein Rie­sen­un­ter­schied! Lie­ber­mann fehlt das
wirk­li­che me­ta­phy­si­sche Fein­ge­fühl: das ewi­ge Stirb und Wer­de.»
    Ge­org
und ich se­hen uns be­trof­fen an. Soll­te Trä­nen-Os­kar ein ver­hin­der­ter Poet sein?
«Ha­ben Sie das dau­ernd?» fra­ge ich. «Die­ses Stirb und Wer­de?»
    «Mehr
oder min­der. Zu­min­dest un­be­wußt. Ha­ben Sie es hier denn nicht, mei­ne Her­ren?»
    «Wir
ha­ben es mehr spo­ra­disch», er­wi­de­re ich. «Haupt­säch­lich vor dem Es­sen.»
    «Ein­mal
war der Be­such Sei­ner Ma­je­stät bei uns an­ge­sagt», sagt Os­kar träu­me­risch.
«Gott, war das ei­ne Auf­re­gung! Zum Glück wa­ren noch zwei an­de­re Fried­hö­fe in
der Nä­he, und wir konn­ten aus­bor­gen.»
    «Was
aus­bor­gen?» fragt Ge­org. «Grab­schmuck? Oder Blu­men?»
    «Ach,
das war al­les in Ord­nung. Echt preu­ßisch, ver­ste­hen Sie? Nein, Lei­chen.»
    «Lei­chen?»
    «Na­tür­lich,
Lei­chen! Nicht als Lei­chen, selbst­ver­ständ­lich, son­dern als das, was sie vor­her
ge­we­sen wa­ren. Mus­ke­tie­re hat­te je­der Fried­hof na­tür­lich über­ge­nug, Ge­frei­te,
Un­ter­of­fi­zie­re, Vi­ze­feld­we­bel und Leut­nants auch – aber dann, bei den hö­he­ren
Char­gen, be­gan­nen die Schwie­rig­kei­ten. Mein Kol­le­ge auf dem Nach­bar­fried­hof
hat­te zum Bei­spiel drei Ma­jo­re; ich hat­te kei­nen. Da­für aber hat­te ich zwei
Oberst­leut­nants und einen Oberst. Ich tausch­te mit ihm einen Oberst­leut­nant
ge­gen zwei Ma­jo­re. Au­ßer­dem be­kam ich bei dem Han­del noch ei­ne fet­te Gans da­zu,
so ei­ne Schan­de schi­en es mei­nem Kol­le­gen zu sein, kei­nen Oberst­leu­mant zu
ha­ben. Er wuß­te nicht, wie er Sei­ner Ma­je­stät oh­ne to­ten Oberst­leut­nant
ent­ge­gen­tre­ten soll­te.»
    Ge­org
be­deckt sein Ge­sicht mit der Hand. «Ich wa­ge nicht ein­mal jetzt, dar­über
nach­zu­den­ken.»
    Os­kar
nickt und zün­det sich ei­ne dün­ne Zi­ga­ret­te an. «Das war noch gar nichts ge­gen
den drit­ten Fried­hofs­kom­man­dan­ten», er­klärt er be­hag­lich. «Der hat­te über­haupt
kein hö­he­res Ge­mü­se. Nicht ein­mal einen Ma­jor. Leut­nants na­tür­lich in rau­hen
Men­gen. Er war ver­zwei­felt. Ich war gut as­sor­tiert und tausch­te schließ­lich
einen der Ma­jo­re, die ich für mei­nen Oberst­leut­nant er­hal­ten hat­te, ge­gen zwei
Haupt­leu­te und einen etats­mä­ßi­gen Feld­we­bel um, ei­gent­lich mehr aus Ku­lanz.
Haupt­leu­te hat­te ich selbst; nur der etats­mä­ßi­ge Spieß war sel­ten. Sie wis­sen,
die­se Schwei­ne sit­zen im­mer weit hin­ter der Front und kom­men fast nie ins
Feu­er; da­für sind sie dann auch sol­che Leu­te­schin­der – al­so ich nahm die drei
aus Ku­lanz und weil es mir Freu­de mach­te, einen etats­mä­ßi­gen Spieß zu ha­ben,
der nicht mehr brül­len konn­te.»
    «Hat­ten
Sie kei­nen Ge­ne­ral?» fra­ge ich.
    Os­kar
winkt ab. «Ge­ne­ral! Ein ge­fal­le­ner Ge­ne­ral ist so sel­ten wie ...» er sucht

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