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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Ei­gent­lich nur vier­ein­halb. Der Hal­be ist Her­mann
Lotz, ein Kriegs­ka­me­rad, des­sen lin­ker Arm an der Schul­ter am­pu­tiert ist. Er
ist im Café Cen­tral mit dem klei­nen Köh­ler, ei­nem an­de­ren Ka­me­ra­den, zu uns
ge­sto­ßen. «Paß auf, Her­mann, daß sie dich nicht um­schmei­ßen!» ru­fe ich. «Bleib
in der Mit­te. Und du, Köh­ler, beiß, wenn du am Bo­den liegst!»
    «Rücken­de­ckung!»
kom­man­diert Ge­org.
    Der
Be­fehl ist gut; aber un­se­re Rücken­de­ckung sind im Au­gen­blick die großen
Schau­fens­ter des Mo­de­hau­ses Max Klein. Das pa­trio­ti­sche Deutsch­land stürmt
ge­gen uns an, und wer will schon in ein Schau­fens­ter ge­preßt wer­den? Man reißt
sich den Rücken an den Split­tern auf, und au­ßer­dem ist da noch die Fra­ge des Scha­den­er­sat­zes.
Sie wür­de an uns hän­gen­blei­ben, wenn wir in den Split­tern sä­ßen. Wir könn­ten
nicht flie­hen.
    Vor­läu­fig
blei­ben wir dicht bei­sam­men. Die Schau­fens­ter sind halb er­hellt; wir kön­nen
un­se­re Geg­ner da­durch recht gut se­hen. Ich er­ken­ne einen der äl­te­ren; er ge­hört
zu de­nen, mit de­nen wir im Café Cen­tral schon ein­mal Krach ge­habt ha­ben. Nach
dem al­ten Ge­setz, die Füh­rer zu­erst zu er­le­di­gen, ru­fe ich ihm zu: «Komm her­an,
du fei­ger Arsch mit Oh­ren!»
    Er
denkt nicht dar­an. «Reißt ihn raus!» kom­man­diert er sei­ner Gar­de.
    Drei
stür­men an. Wil­ly schlägt ei­nem auf den Kopf, daß er um­fällt. Der zwei­te hat
einen Gum­mi­knüp­pel und schlägt mir da­mit auf den Arm. Ich kann ihn nicht
er­wi­schen, er aber mich. Wil­ly sieht es, springt vor und ku­gelt ihm den Arm
aus. Der Gum­mi­knüp­pel fällt auf den Bo­den. Wil­ly will ihn auf­he­ben, wird da­bei
aber um­ge­rannt. «Schnapp den Knüp­pel, Köh­ler!» ru­fe ich. Köh­ler stürzt sich in
das Durch­ein­an­der am Bo­den, wo Wil­ly im hell­grau­en An­zug kämpft.
    Un­se­re
Schlacht­ord­nung ist durch­bro­chen. Ich be­kom­me einen Stoß und flie­ge ge­gen das
Schau­fens­ter, daß es klirrt. Zum Glück bleibt es heil. Fens­ter öff­nen sich über
uns. Hin­ter uns, aus der Tie­fe der Schau­fens­ter, star­ren uns die ele­gant
ge­klei­de­ten Holz­pup­pen Max Kleins an. Sie tra­gen un­be­weg­lich die neues­ten
Win­ter­mo­den und ste­hen da wie ei­ne son­der­ba­re, stum­me Ver­si­on der Wei­ber der
al­ten Ger­ma­nen, die von ih­ren Wa­gen­bur­gen die Kämp­fer an­feu­er­ten.
    Ein
großer Bur­sche mit Pi­ckeln hat mich an der Keh­le. Er riecht nach He­ring und
Bier, und sein Kopf ist mir so na­he, als woll­te er mich küs­sen. Mein lin­ker Arm
ist lahm von dem Schlag mit dem Knüp­pel. Mit dem rech­ten Dau­men ver­su­che ich,
ihm ins Au­ge zu sto­ßen, aber er ver­hin­dert das, in­dem er sei­nen Kopf fest ge­gen
mei­ne Ba­cke preßt, als wä­ren wir zwei wi­der­na­tür­lich Ver­lieb­te. Da ich auch
nicht tre­ten kann, weil er zu dicht an mir steht, hat er mich ziem­lich hilf­los.
Ge­ra­de als ich mich, oh­ne Luft, mit letz­ter Kraft nach un­ten fal­len las­sen
will, se­he ich et­was, was mir be­reits wie ei­ne Il­lu­si­on mei­ner schwin­den­den
Sin­ne er­scheint: ei­ne blü­hen­de Ge­ra­nie wächst plötz­lich aus dem pi­cke­li­gen
Schä­del, wie aus ei­nem spe­zi­ell po­ten­ten Mist­hau­fen, gleich­zei­tig zei­gen die
Au­gen einen Aus­druck mil­der Über­ra­schung, der Griff an mei­ner Keh­le lo­ckert
sich, Topf­scher­ben pur­zeln um uns her­um, ich tau­che, kom­me los, schie­ße wie­der
hoch und spü­re ein schar­fes Knacken – ich ha­be sein Kinn mit dem Schä­del von
un­ten er­wi­scht, und er geht lang­sam in die Knie. Selt­sa­mer­wei­se ha­ben die
Wur­zeln der Ge­ra­nie, die von oben auf uns her­ab­ge­schleu­dert wor­den ist, den
Kopf so fest um­rahmt, daß der pi­cke­li­ge Ger­ma­ne mit der Blu­me auf dem Haupt in
die Knie sinkt. Er wirkt so wie ein lieb­li­che­rer Nach­kom­me sei­ner Vor­fah­ren,
die Och­sen­hör­ner als Kopf­zier tru­gen. Auf sei­ner Schul­ter ru­hen, wie Res­te des
zer­schla­ge­nen Helms, zwei grü­ne Ma­jo­li­ka­scher­ben.
    Es
war ein großer Topf; aber der Schä­del des Pa­trio­ten scheint aus Ei­sen zu sein.
Ich füh­le, wie er, auf den Kni­en noch, ver­sucht, mir

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