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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ge­kom­men, und jetzt auf ein­mal
liegt er da, von ei­ner Se­kun­de zur an­de­ren.»
    «Wenn
du schon sen­ti­men­tal sein willst, dann sei es rich­tig», er­wi­de­re ich. «Ho­le
ei­ne Fla­sche von dem Wein, den du ihm nie ge­gönnt hast.»
    «Den
Jo­han­nis­ber­ger, ja­wohl.» Eduard er­hebt sich eif­rig und wat­schelt da­von.
    «Ich
glau­be, er ist ehr­lich trau­rig», sagt Ge­org.
    «Ehr­lich
trau­rig und ehr­lich er­leich­tert.»
    «Das
mei­ne ich. Mehr kann man meis­tens nicht ver­lan­gen.»
    Wir
sit­zen ei­ne Wei­le. «Es pas­siert ei­gent­lich et­was viel im Au­gen­blick, was?» sa­ge
ich schließ­lich.
    Ge­org
sieht mich an. «Prost! Ein­mal mußt du ja ge­hen. Und Va­len­tin? Er hat ein paar
Jah­re län­ger ge­lebt, als man 1917 hät­te ver­mu­ten sol­len.»
    «Das
ha­ben wir al­le.»
    «Ja,
und des­halb soll­ten wir was draus ma­chen.»
    «Tun
wir das nicht?»
    Ge­org
lacht. «Man tut es, wenn man nichts an­de­res im Au­gen­blick will, als was man
ge­ra­de tut.»
    Ich
sa­lu­tie­re. «Dann ha­be ich nichts aus mei­nem ge­macht. Und du?»
    Er
blin­zelt. «Komm, laß uns hier ver­schwin­den, ehe Eduard zu­rück­kehrt. Zum Teu­fel
mit sei­nem Wein!»
    «Sanf­te»,
sa­ge ich ge­gen die Mau­er in das Dun­kel. «Sanf­te und Wil­de, Mi­mo­se und Peit­sche,
wie tö­richt war ich, dich be­sit­zen zu wol­len! Kann man den Wind ein­schlie­ßen?
Was wird dann aus ihm? Ver­brauch­te Luft. Geh, geh dei­nen Weg, geh zu den
Thea­tern und Kon­zer­ten, hei­ra­te einen Re­ser­ve­of­fi­zier und Bank­di­rek­tor, einen
In­fla­ti­ons­sie­ger, geh, Ju­gend, die du nur den ver­läßt, der dich ver­las­sen will,
Fah­ne, die flat­tert, aber nicht ein­zu­fan­gen ist, Se­gel vor vie­len Blaus, Fa­ta
Mor­ga­na, Spiel der bun­ten Wor­te, geh, Isa­bel­le, geh, mei­ne spä­te, nach­ge­hol­te,
über einen Krieg zu­rück­ge­ris­se­ne, et­was zu wis­sen­de, et­was zu alt­klu­ge Ju­gend,
geh, geht bei­de, und auch ich wer­de ge­hen, wir ha­ben uns nichts vor­zu­wer­fen,
die Rich­tun­gen sind ver­schie­den, aber auch das ist nur schein­bar, denn den Tod
kann man nicht be­trü­gen, man kann ihn nur be­ste­hen. Lebt wohl! Wir ster­ben
je­den Tag et­was mehr, aber wir le­ben auch je­den Tag et­was län­ger, ihr habt mich
das ge­lehrt, und ich will es nicht ver­ges­sen, es gibt kei­ne Ver­nich­tung, und
wer nichts hal­ten will, be­sitzt al­les, lebt wohl, ich küs­se euch mit mei­nen
lee­ren Lip­pen, ich um­ar­me euch mit mei­nen Ar­men, die euch nicht hal­ten kön­nen,
lebt wohl, lebt wohl, ihr in mir, die ihr bleibt, so­lan­ge ich euch nicht
ver­ges­se ...»
    Ich
tra­ge in mei­ner Hand ei­ne Fla­sche Roth­schen Korn und sit­ze auf der let­zen Bank
der Al­lee mit dem vol­len Blick auf die Ir­ren­an­stalt. In mei­ner Ta­sche knis­tert
ein Scheck auf har­te De­vi­sen: drei­ßig vol­le Schwei­zer Fran­ken. Die Wun­der ha­ben
nicht auf­ge­hört: ei­ne Schwei­zer Zei­tung, die ich seit zwei Jah­ren mit mei­nen
Ge­dich­ten bom­bar­diert ha­be, hat in ei­nem An­fall von Ra­se­rei ei­nes an­ge­nom­men
und mir gleich den Scheck ge­schickt. Ich war be­reits auf der Bank, mich zu
er­kun­di­gen – die Sa­che stimmt. Der Bank­vor­ste­her hat mir so­fort einen Preis in
schwar­zer Mark da­für an­ge­bo­ten. Ich tra­ge den Scheck in der Brust­ta­sche, na­he
dem Her­zen. Er ist ein paar Ta­ge zu spät ge­kom­men. Ich hät­te mir für ihn einen
An­zug und ein wei­ßes Hemd kau­fen und da­mit ei­ne re­prä­sen­ta­ble Fi­gur vor den
Da­men Ter­ho­ven ma­chen kön­nen. Da­hin! Der De­zem­ber­wind pfeift, der Scheck
knis­tert, und ich sit­ze hier un­ten in ei­nem ima­gi­nären Smo­king, ein Paar ima­gi­närer
Lack­schu­he, die Karl Brill mir noch schul­det, an den Fü­ßen, und lo­be Gott und
be­te dich an, Isa­bel­le! Ein Ta­schen­tuch aus feins­tem Ba­tist flat­tert in mei­ner
Brust­ta­sche, ich bin ein Ka­pi­ta­list auf der Wan­der­schaft, die Ro­te Müh­le liegt
mir zu Fü­ßen, wenn ich will, in mei­ner Hand blinkt der Cham­pa­gner des
furcht­lo­sen Trin­kers, des Nie-ge­nug-Trin­kers, der Trank des Feld­we­bels Knopf,
mit dem er den Tod in die Flucht schlug – und ich trin­ke ge­gen die graue Mau­er
mit dir da­hin­ter,

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