E.M. Remarque
noch deutlicher darauf abzeichnet als auf einem anderen. Er
ist ein Unglücksrabe!
«Nach
Hause! Du Saufaus und Raufbold!» sagt Lisa und geht. Watzek folgt ihr gehorsam.
Sie wandern über den Neumarkt, ein einsames Paar. Niemand folgt ihnen. Georg
hilft Lotz, seinen künstlichen Arm wieder halbwegs zurechtzubiegen.
«Kommt»,
sagt Ledderhose. «In meinem Lokal können wir noch trinken. Geschlossene
Gesellschaft!»
Wir
sitzen eine Zeitlang mit Bodo und seinem Verein. Dann gehen wir nach Hause. Der
Morgen schleicht grau herauf. Ein Zeitungsjunge kommt vorbei. Riesenfeld winkt
ihm zu und kauft ein Blatt. Mit großen Lettern steht auf der Vorderseite:
Ende
der Inflation! Eine Billion ist eine Mark!
«Nun?»
sagt Riesenfeld zu mir.
Ich
nicke.
«Kinder,
es kann tatsächlich sein, daß ich pleite bin», erklärt Willy. «Ich habe noch
auf Baisse spekuliert.» Er sieht betrübt auf seinen grauen Anzug und dann auf
Renée. «Na, wie gewonnen, so zerronnen – was ist schon Geld, wie?»
«Geld
ist sehr wichtig», erwidert Renée kühl. «Besonders, wenn man es nicht hat.»
Georg
und ich gehen die Marienstraße entlang. «Sonderbar, daß Watzek von mir und
Riesenfeld Prügel bekommen hat», sage ich. «Nicht von dir. Es wäre doch
natürlicher gewesen, wenn du und er gekämpft hätten.»
«Natürlicher
schon; aber nicht gerechter.»
«Gerechter?»
frage ich.
«In
einem verzwickten Sinne. Ich bin jetzt zu müde, es herauszufinden. Männer mit
kahlen Köpfen sollten sich nicht mehr schlagen. Sie sollten philosophieren.»
«Da
wirst du ein sehr einsames Leben vor dir haben. Die Zeit sieht nach Schlagen
aus.»
«Ich
glaube nicht. Irgendein scheußlicher Karneval ist zu Ende gegangen. Sieht es
heute nicht nach einem kosmischen Aschermittwoch aus? Eine mächtige Seifenblase
ist geplatzt.»
«Und?»
sage ich.
«Und?»
erwidert er.
«Irgend
jemand wird eine neue, mächtigere blasen.»
«Vielleicht.»
Wir
stehen im Garten. Grau rinnt der milchige Morgen um die Kreuze. Die jüngste
Knopf-Tochter erscheint, halb ausgeschlafen. Sie hat auf uns gewartet. «Vater
sagt, für zwölf Billionen können Sie den Grabstein zurückkaufen.»
«Sagen
Sie ihm, wir bieten acht Mark. Und auch das nur bis heute mittag. Geld wird
sehr knapp werden.»
«Was?»
fragt Knopf aus seinem Schlafzimmer heraus. Er hat gelauscht.
«Acht
Mark, Herr Knopf. Und heute nachmittag nur noch sechs. Das Geld geht herunter.
Wer hätte das je gedacht, was? Anstatt herauf.»
«Lieber
behalte ich ihn in alle Ewigkeit, ihr verfluchten Leichenräuber!» krächzt Knopf
und schlägt das Fenster zu.
XXV
Der Werdenbrücker
Dichterklub gibt mir in der altdeutschen Stube der «Walhalla» einen
Abschiedsabend. Die Dichter sind unruhig und tun, als wären sie bewegt.
Hungermann tritt als erster auf mich zu. «Du kennst meine Gedichte. Du hast
selbst gesagt, daß sie eines deiner stärksten dichterischen Erlebnisse waren.
Stärker als Stefan George.»
Er
sieht mich intensiv an. Ich habe das nie gesagt. Bambuss hat es gesagt; dafür
hat Hungermann über Bambuss gesagt, daß er ihn für bedeutender als Rilke halte.
Aber ich widerspreche nicht. Ich sehe den Dichter Casanovas und Mohammeds
erwartungsvoll an.
«Also
gut», fährt Hungermann fort, wird aber abgelenkt. «Woher hast du übrigens
diesen neuen Anzug?»
«Ich
habe ihn mir heute von einem Schweizer Honorar gekauft», erwidere ich mit der
Bescheidenheit eines Pfauen. «Es ist mein erster neuer Anzug, seit ich Soldat
Seiner Majestät wurde. Kein umgearbeiteter Militärrock. Echtes, richtiges
Zivil! Die Inflation ist vorbei!»
«Ein
Schweizer Honorar? Du bist also bereits international bekannt? Nun ja», sagt
Hungermann überrascht und sofort leicht verärgert: «Von
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