E.M. Remarque
versprach, die die Deutschen einigen und Wohlstand bringen
sollte? Ein unverkäuflicher Ladenhüter der Geschichte, mit »Wehmut« zu
betrachten, und ein»dunkler Ankläger« für eine Ungewisse Zukunft? Zugleich ist
der schwarze Obelisk das »Freiluft-Pissoir« 18 des Quartalssäufers und
kaiserlichen Feldwebels Knopf, unübertroffen in seiner Treue zum Kaiser und den
alten Werten. Ihm gegenüber bezeichnet Bodmer den Obelisken als eine »heilige
Sache«, woraufhin Knopf ungerührt antwortet:»Das wird erst ein Grabstein auf
dem Friedhof«. 19
Der
unverkäufliche Ladenhüter bedarf zu seiner Wirksamkeit, um eine »heilige Sache«
zu werden, also der Aktivierung im Totenkult. Die »menschliche Trauer verlangt
nun einmal nach Monumenten … und, wenn das Schuldgefühl oder die Erbschaft
beträchtlich ist«, nach dem »Kostbarsten« überhaupt, dem »schwarzen,
schwedischen Granit, allseitig poliert«.So heißt es schon im dritten Satz des
Romans. 20 Auf die hervorragende Stellung dieses Werkstoffs, aus dem der
schwarze Obelisk besteht, weist vor allem auch derDenkmalsfabrikant Riesenfeld
hin 21 , der im Roman 56 Jahre alt ist, d. h. etwa im Alter Remarques bei der
Arbeit an diesem Roman.
Der
Obelisk hat nur scheinbar ausgedient. Der Obelisk ist der Ort, an dem der
Pferdeschlächter und Früh-Nazi Watzek Ludwig Bodmer abzuschlachten sucht.
Heinrich
Kroll stellt – eher zufällig, so scheint es – die Verbindung her zu dem
kommenden Symbol des Todes, der Vernichtung, der Perversion, des
düster-glänzenden Pompes, des potenzstrotzenden Männlichkeitswahns, des
Schwarzen und Schauerlichen der SS des Hitlerreichs und ihrer Todesernte. In großer
Sorge um den kostbaren Obelisken versucht Heinrich Kroll den Feldwebel Knopf
»als Mann, Kameraden, Soldaten und Deutschen« dazu zu bringen, das Idol der
Firma loszulassen, um es vor einem evtl. Sturz zu schützen. Heinrichs
Begründung, von Ludwig genau notiert, lautet:
Es
sei wertvoller hochpolierter S.-S.-Granit, der beim Fallen bestimmt beschädigt
würde. 22
Für
Heinrich ist dies nur eine Abkürzung für »schwarz« und »schwedisch«, aber wohl
kaum für den Autor, der diese Abkürzung nur an dieser einen Stelle verwendet.
Der Sturz des möglichen Symbols der Reichsidee durch den seiner Sinne nicht
mehr mächtigen und als unzeitgemäß längst pensionierten Feldwebel der
Kaiserzeit kann vermieden werden – und der »S.-S.-Granit« bleibt unangekratzt
für das, was folgen sollte.
Natürlich
ist der schwarze Obelisk auch ein gewaltiges Phallus-Symbol. Ludwig Bodmer
offeriert den »Steinfinger« im Bordell als »klassisches« Grabmal für die
»strenge Masseuse«, das »Eiserne Pferd« mit hohen Lederstiefeln, schwarzer
Reizwäsche und Peitsche, für Malwine, die Männer versorgt, die nichts als
Prügel wollen. Sex, Sadismus und Masochismus traut vereint. Fritzi, die
›Jugendfreundin‹ Bodmers, meint zu der Abbildung des Obelisken, die Ludwig
vorzeigt: »Eigentlich nicht schlecht für das Pferd«.Und »die Puffmutter grinst
ebenfalls« und fragt: »Was kostet das Ding?« 23
Mit
hintergründigem, aber durchaus bitterem Humor entlarvt Remarque die finstere
Feierlichkeit heroischer Totenkulte im SS-Stil als pervertierten Sex.
Wenn
Knopf den Obelisken nach seiner Aufstellung zur neuen Bestimmung nicht mehr
findet, so mutmaßt Bodmer, wird»seine Welt … für ihn einstürzen« 24 , die alte
Welt des Kaiserreiches, die der SS-Welt weichen muß. Als Gerda Schneider Ludwig
zum ersten Mal besucht, verharrt sie angesichts des Grabsteinlagers neben dem
Obelisken »und blickt auf unser Golgatha«,wie Ludwig Bodmer formuliert. 25
Die
»Grabdenkmalsfirma Heinrich Kroll & Söhne«, im
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