E.M. Remarque
vorzunehmen.
Es gelang ihm, die versteckten Juden vorher noch herauszuholen und
fortzuschaffen. Man schickte ihn ins Feld, und er fiel 1944. Willy fiel 1942,
Otto Bambuss 1945, Karl Kroll 1944. Lisa wurde bei einem Bombenangriff getötet.
Ebenso die alte Frau Kroll.
Eduard
Knobloch überstand alles; er servierte Gerechten und Ungerechten gleich
erstklassig. Sein Hotel wurde zerstört, ist aber wieder aufgebaut worden. Gerda
hat er nicht geheiratet, und niemand weiß, was aus ihr geworden ist. Auch von
Geneviève Terhoven habe ich nie wieder etwas gehört.
Eine
interessante Karriere machte Tränen-Oskar. Er kam als Soldat nach Rußland und
wurde zum zweiten Male Friedhofskommandant. 1945 wurde er Dolmetscher bei den
Besatzungstruppen und schließlich für einige Monate Bürgermeister von
Werdenbrück. Danach ging er ins Geschäft zurück, zusammen mit Heinrich Kroll.
Sie gründeten eine neue Firma und hatten große Erfolge – Grabsteine waren
damals fast so gesucht wie Brot.
Der
alte Knopf starb drei Monate, nachdem ich Werdenbrück verlassen hatte. Er wurde
von einem Auto nachts überfahren. Seine Frau heiratete ein Jahr später den
Sargtischler Wilke. Niemand hätte das erwartet. Es wurde eine glückliche Ehe.
Die
Stadt Werdenbrück wurde während des Krieges durch Bomben so zertrümmert, daß
fast kein Haus unbeschädigt blieb. Sie war ein Eisenbahn-Knotenpunkt; deshalb
wurde sie so oft angegriffen. Ich war ein Jahr später einmal einige Stunden auf
der Durchreise da. Ich suchte nach den alten Straßen, aber ich verirrte mich in
der Stadt, in der ich so lange gelebt hatte. Nichts war mehr da als Trümmer,
und ich fand auch niemand von früher wieder. In einem kleinen Laden, der sich
nahe dem Bahnhof in einer Bretterbude befand, kaufte ich ein paar Postkarten
mit Ansichten der Stadt aus der Zeit vor dem Kriege. Das war alles, was
übriggeblieben war. Wenn jemand früher sich seiner Jugend erinnern wollte, ging
er an den Ort zurück, wo er sie verbracht hatte. Heute kann man das in
Deutschland kaum noch. Alles ist zerstört und neu aufgebaut worden und fremd.
Postkarten müssen es ersetzen.
Die
einzigen beiden Gebäude, die völlig unbeschädigt sind, sind die Irrenanstalt
und die Gebäranstalt – hauptsächlich deshalb, weil sie etwas außerhalb der
Stadt liegen. Sie waren sofort wieder voll belegt und sind es noch. Sie mußten
sogar beträchtlich erweitert werden.
»Unser Golgatha«
»Unser Golgatha« 1
Nachwort von Tilman Westphalen
I
Remarque, von seinem
Verleger Joseph Caspar Witsch gefragt, worum es in seinem neuen Buch gehe,
antwortet in einem Brief vom 1. Juli 1956 aus Porto Ronco:
Den
Inhalt des Buches kann ich Ihnen nicht beschreiben.Könnte ich es, brauchte ich
nicht ca. 380 Seiten dazu. 2
Mit
diesem Antwortbrief sendet Remarque einen weiteren Manuskriptteil von Der
schwarze Obelisk, der mit Kapitel XI endet.Den Umfang und die voraussichtliche
Zahl der Kapitel kannte Remarque aus seiner Rohfassung. 3 Der schwarze Obelisk
alsTitel dieses Romans stand für ihn von Anfang an fest. 4
Was
ist »der schwarze Obelisk«? Wofür steht er? Ist er ein verbindendes Symbol für
eine Gesamtdeutung der verwirrenden Vielfalt von Themen und Perspektiven in
diesem Roman? In einer Besprechung kurz nach Erscheinen des Romans heißt es:
Der
schwarze Obelisk steht als dunkler Spiegel in diesem Werk,leibhaftig und
rätselhaft, wie dieses reiche Buch selbst. 5 Die Basler Nachrichten formulieren
im August 1957:
...
das Prunkstück (des Grabsteingeschäfts), der schwarze Obelisk, ist Zeichen und
Fanal für eine verlogene,prunkende und völlig tote bürgerliche Ideologie. 6
Der
seit den Schultagen mit Remarque bekannte
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