E.M. Remarque
ersten Satz des Romans so
benannt, mit einem Firmengründer, der den Vornamen des faustischen deutschen
Übermenschen trägt und der diesen an seinen national gesonnenen Sohn
weitergegeben hat, mit dem Obelisken »Otto« als Anführer der »Kompanie« der
Grabdenkmäler, erlaubt dem Leser die Assoziation mit der deutschen Reichsidee.
Ludwig Bodmer, der viele biographische Züge Remarques trägt, verweist nicht
ohne Grund auf die »Schädelhöhe« des Neuen Testaments und den Kreuzigungsort
Christi, den Ort, an dem der »Frieden der Welt« auf grausame Weise zu Tode
gemartert wurde und immer noch wird. Entsprechend heißt es im Vorspruch:
Den
Frieden der Welt! Nie ist mehr darüber geredet und nie weniger dafür getan
worden als in unserer Zeit; nie hat es mehr falsche Propheten gegeben, nie mehr
Lügen, nie mehr Tod, nie mehr Zerstörung und nie mehr Tränen als in unserem Jahrhundert,
dem zwanzigsten, dem des Fortschritts, der Technik, der Zivilisation, der
Massenkultur und des Massenmordens.
Das
zwanzigste Jahrhundert – »unser Golgatha«?
III.
Der schwarze Obelisk
trägt den Untertitel Geschichte einer verspäteten Jugend. Es geht offenkundig
um die Jugend des Protagonisten Ludwig Bodmer und zugleich des Autors Erich
Maria Remarque, denen die eigentliche Jugend durch die bittere Erfahrung des
Ersten Weltkriegs genommen wurde. Es geht um das Denken, Fühlen und Handeln
bzw. Nicht-Handeln der ›verlorenen Generation‹, über die Remarque in allen
seinen Romanen der zwanziger Jahre anklagend,aber zugleich resignativ
berichtet. 26 Frühe Entwürfe zu einzelnen Szenen für den erst 1956 erschienenen
Roman finden sich in Nachlaßmanuskripten vom Ende der zwanziger, Anfang der
dreißiger Jahre, parallel zu Manuskripten zu Drei Kameraden. Der Roman aus dem
Jahre 1923, der eine nahtlose Folge zu Der Weg zurück gewesen wäre, war als
Fortsetzung geplant. Aus welchen Gründen auch immer blieb diese Idee liegen,
als Remaque dann die Berliner Phase seiner Biographie in Drei Kameraden
verwendete.Von dem Titel Der schwarze Obelisk gibt es allerdings noch keine
Spur. 27 Die Übereinstimmung zwischen dem Lebenslauf des Autors und der
Biographie des Helden Ludwig Bodmer ist allzu offenkundig. Bodmer war
»siebzehn«,als er in den Krieg »hineinging«, jetzt (1923) ist er
»fünfundzwanzig«. 28 Genau wie Remarque, der 1898 geboren wurde. Bodmer wurde
verwundet, nicht lebensgefährlich, und kam ins Hospital, genau wie Remarque. Er
wurde »schließlich Schulmeister«, seine »kranke Mutter hatte das gewollt«, und
er »hatte es ihr versprochen, bevor sie starb«, und zwar vor Kriegsende. Bodmer
machte trotzdem seine Lehrerprüfung nach dem Kriege »und wurde auf ein paar
Dörfer in der Heide geschickt«, bis er»genug davon hatte, Kindern Sachen
einzutrichtern«, an die er »selbst längst nicht mehr glaubte«. 29 Das liest sich
fast wie einauthentischer autobiographischer Bericht des Autors. 30 Die
Beispiele ließen sich vielfältig vermehren. Am 6. August 1956 schreibt Remarque
an seinen Verleger:
Für
den Publicity Vermerk auf dem Buchumschlag ist es vielleicht interessant, daß
ich während der Inflation in einem Grabdenkmalsgeschäft gearbeitet habe undauch einige Zeit Organist an einer Irrenanstalt war. 31
Remarque
wollte also durchaus den Hinweis auf sein eigenes Leben für die Buchwerbung.
Die
Stadt »Werdenbrück« im Roman ist das kaum verhüllte Osnabrück der zwanziger
Jahre, allerdings ein»dunkles Spiegelbild«, wie H.-G. Rabe meint. 32 Die
Osnabrücker lesen den Roman auch heute immer noch als einen ›Schlüsselroman‹
über ihre Stadt und ihre Bürger – und das mit
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