E.M. Remarque
Osnabrücker Hanns-Gerd Rabe betitelt
seine Kritik in der Osnabrücker Neuen Tagespost mit:»Dunkles Spiegelbild des
Osnabrück von 1923«. 7 Das Rätseln in der Kritik über den Sinn des
Obelisk-Symbols, soweit es überhaupt als solches zur Kenntnis genommen wird,
führt zu keinen schlüssigen Lösungen. Die Zitate ließen sich in großer Vielfalt
und Widersprüchlichkeit ergänzen.
Was
bedeutet der schwarze Obelisk als das titelgebende, den Roman durchziehende
Zentralsymbol, als möglicher Eckpfeiler der Romanstruktur? Auf welche Weise mag
der schwarze Stein den Autor inspiriert haben, der ihm schon früh beim
Schreiben als ein Leitelement des Romans diente? Was fängt der heutige Leser
damit an? Was war seine Funktion für die Lektüre in den 50er Jahren?
»Schwarze
Obelisken« stehen für Remarque überall in einer Welt, die in seinen Augen auf
dem Höhepunkt des »Kalten Krieges« in den 50er Jahren den Dritten Weltkrieg als
unausweichlich zu akzeptieren schien:
Die
Welt liegt wieder im fahlen Licht der Apokalypse, der Geruch des Blutes und der
Staub der letzten Zerstörung sind noch nicht verflogen, und schon arbeiten
Laboratorien und Fabriken aufs Neue mit Hochdruck daran, den Frieden zu
erhalten durch dieErfindung von Waffen, mit denen man den ganzen Erdball
sprengen kann. 8
So
wie die Menschen es nicht vermocht hatten, den Zweiten Weltkrieg nach der
Katastrophe des Ersten Weltkriegs zu verhindern, so bedrohlich ist auch heute
noch die Lage, in der zahllose Interkontinentalraketen auf ihren Abschußrampen
für den Knopfdruck zum atomaren Holocaust bereitstehen. Der schwarze Obelisk
wird im Roman an einer Stelle als der «finstere Steinfinger,der aus der Erde
in den Himmel zeigt» 9 beschrieben. Ein vielleicht ›prophetisch‹ zu nennendes
Bild Remarques? Denn der Obelisk ist mit den Worten des Autors der »dunkle
Ankläger«, den »ja bereits zwei Generationen von Krolls«, d. h. von
Grabsteinhändlern, die für die Toten Mahnmale verschachern,nicht »verkaufen
haben … können.« 10 Das ›Raketen-Grabsteinlager‹ der Toten-Gedenker über zwei Generationen
ist jetzt auch wieder in der dritten Generation (so belegt der Vorspruch des
Romans) gut gefüllt. Somit klagt der »dunkle« Obelisk die vom Rüstungswahn
befallenen Menschen vor dem »Himmel«, auf den der Obelisk drohend verweist,
solange an, bis er vielleicht eines Tages doch ›verkäuflich‹, d. h. ›abrüstbar‹
erscheint? Mir scheit dies eine zulässige Assoziation, wenn man dem
Hauptanliegen des Autors, der Warnung vor der nächsten Kriegskatastrophe,
folgt.
Der
Erzähler des Romans, der wohl zugleich als der seine Leser direkt ansprechende
und mahnende Autor Erich Maria Remarque zu begreifen ist, erinnert mit
bitter-sarkastischer Ironie im Vorspruch des Buches an seine Erfahrung der
Unbelehrbarkeit deutscher Mitmenschen in den frühen 20er Jahren. Als Teilnehmer
am Ersten Weltkrieg hatte ihn das Kriegserleben zum unbedingten und in dieser
Frage zu keinen Kompromissen bereiten Friedensfreund gemacht,wie seine Romane
Im Westen nichts Neues (1929) 11 und Der Weg zurück (1931) bezeugen. Deshalb
blendet der Autor/Erzähler zurück zu den sagenhaften Jahren, als die Hoffnung
noch wie eine Flagge über uns wehte und wir an so unverdächtige Dinge glaubten
wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz – und auch daran, daß ein Weltkrieg
genug Belehrung sein müsse für eine Generation. Die Pest des Faschismus und der
Verbrechen des Zweiten Weltkriegs sind aus der»Tiefe der deutschen
Reichsgründung von 1871« 12 hervorgegangen, aus dem Großmachtstreben und der
Rechthaberei, vielleicht auch aus einer verdeckten
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