E.M. Remarque
Recht. Hier sei nur ein Beispiel
genannt: Eduard Knoblochs Vorbild hieß Eduard Petersilie und warHotelier des
im Zweiten Weltkrieg zerstörten »Hotel Germania« 33 (nicht des »Walhalla«, eines
noch heute in Osnabrück existierenden Hotels in der Altstadt). Wie im Roman im
nach dem germanischen Götterhimmel benannten »Walhalla«, so dichtet Petersilie
in der Realgeschichte. Das nachfolgende Schmähgedicht veröffentlichte er 1931
im Stahlhelm:
Chaplin.
In
den Straßen eine Menschenmenge!
Schubsen,
Hälserecken und Gedränge.
Seht:
Hier steht das geistige Berlin
und
erwartet ungeduldig Ihn.
Tschakoblitzend
steht die Schupomauer.
Photographen
liegen auf der Lauer.
Weiber
kreischen voller Hysterie:
Hurra,
Charlie! Hoch und Kikriki!
Er umhüllt von einer Weihrauchwolke,
zeigt
sich huldvoll dem entzückten Volke.
Seht
doch! Seht doch, wie sein Auge glüht:
Jeder
Zoll ein kleener Flimmerjüd‘.
Peter
Silie 34
Der
Verweis
auf die historische Figur des Eduard Petersilie verdeutlicht die Intention
Remarques, die Wurzeln des Nationalsozialismus im Kleinbürger- und Bürgertum
seiner eigenen Heimatstadt, typisch für zahllose Mittelstädte dieser Art,
bloßzulegen. Dazu dient ihm u. a. der »Werdenbrücker Dichterclub«, der im Hotel
mit dem Namen der germanischen Götterburg »Walhalla« tagt. Nach der von Richard
Wagner ausgestalteten hinlänglich bekannten Version des Mythos geht »Walhalla«
in der ›Götterdämmerung‹, das heißt dem Weltuntergang, zugrunde. Auch ein
mögliches Bild des Untergangs des Deutschen Reiches von 1871 ?
Die
›Werdenbrücker Intelligenz« wie der »Akademiker« und »markige Runendichter«
Hans Hungermann, später»Kulturwart und Obersturmbannführer der neuen
Partei« 35 , berauscht sich am Weltschmerz, ihrer verklemmten Sexualität und am
nationalen Pathos. Der Eduard Petersilie der Realgeschichte begrüßt am24. Juli
1932 Adolf Hitler bei seiner Landung in Osnabrück auf dem Klushügel. 36 Am 4. Januar
1919 hatter er im Osnabrücker Tageblatt unter dem Titel Den heimkehrenden
Kriegern gedichtet:
Jubelnd
grüßt die Heimat ihre Söhne:
Seid
willkommen Niedersachsenhelden!
Was
der übermächt’ge Feind auch höhne,
Euren
Ruhm wird die Geschichte melden.
Habt
die Wacht so löwenstark gehalten,
Standet
treu und fest im Schlachtengrauen,
Stürmtet
gegen höllische Gewalten.
Helft
uns nun, ein neues Deutschland bauen! 37
Das ist die
Mentalität, die für Remarque in ›Götterdammerung‹ endet und die das alte »Golgatha«
zu neuem Leid wiederbelebt. Der schwarzpolierte Obelisk und Grabstein für das
gehobene Bürgertum war für Remarque ebenfalls ein sehr reales Objekt der
Osnabrücker Zeit,als er bei den »Bildhauer- und Steinmetz-Werkstätten« Hermann
Vogt 38 (im Roman »Kroll & Söhne«) tätig war. Im Nachlaß findet sich ein
Postkartenphoto mit der rückseitigen Aufschrift, vermutlich als Erinnerung an
Remarque nach seinem Weggang von Osnabrück nach Hannover oder Berlin gesandt:
Obelisk
v. schwarz, schwed. Granit poliert … 2,10 hoch./MK 2800/zur Erinnerung an den
Wäschepfahl. /H. V. 39
Hinweise
dieser Art auf realgeschichtliche Hintergründe sollen die Remarqueschen
Fiktionen keinesfalls auf historische Faktizitäten reduzieren. Die Analyse der
Arbeitstechnik Remarques ergibt, daß dies vom Autor auch nicht gewollt ist.
Bewußt integriert er tatsächliche Namen, fiktive Namen und neue Namensbildungen
durch Abwandlung realhistorischer Namensformen(z. B. Hungermann statt
Hungerland, Bodendiek statt Bodensiek etc.). 40 Er verlagert Handlungsschauplätze
und geht im
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