E.M. Remarque
aufpassen
müssen. Aber es war doch mündelsicher festgelegt, wir konnten es nicht abheben.
Die Zinsen waren so höher.»
«Wie
hätte er denn besser aufpassen sollen? So etwas passiert heute unzähligen
Menschen. Er war doch kein Bankier.»
«Nein,
Buchhalter. Die Nachbarn ...»
«Kümmern
Sie sich doch nicht um das, was die Nachbarn sagen. Das ist immer bösartiger
Klatsch. Und überlassen Sie alles andere nur Gott.»
Ich
fühle, daß ich nicht sehr überzeugend bin; aber was soll man einer Frau in
solchen Umständen schon sagen? Das, was ich wirklich denke, bestimmt nicht.
Sie
trocknet ihre Augen. «Ich sollte Ihnen das gar nicht erzählen. Was geht es Sie
an? Verzeihen Sie! Aber manchmal weiß man nicht, wohin ...»
«Das
macht nichts», sage ich. «Wir sind das gewöhnt. Es kommen ja nur Leute hierher,
die Angehörige verloren haben.»
«Ja
– aber nicht so ...»
«Doch»,
erkläre ich. «Das passiert in dieser traurigen Zeit viel häufiger, als Sie
denken. Sieben allein im letzten Monat. Es sind immer Menschen, die nicht mehr
ein noch aus wissen. Anständige Menschen also. Die unanständigen kommen durch.»
Sie
sieht mich an. «Glauben Sie, daß man einen Grabstein setzen darf, wenn er nicht
in geweihter Erde liegt?»
«Wenn
Sie die Erlaubnis für ein Grab haben, dürfen Sie es. Ganz bestimmt auf dem
städtischen Friedhof. Wenn Sie wollen, können Sie schon einen Stein aussuchen,
Sie brauchen ihn nur zu nehmen, wenn alles in Ordnung ist.»
Sie
sieht sich um. Dann zeigt sie auf den drittkleinsten Hügelstein. «Was kostet so
einer?»
Es
ist immer dasselbe. Nie fragen die Armen sofort, was der kleinste kostet; es
ist, als täten sie es nicht aus einer sonderbaren Höflichkeit vor dem Tode und
dem Toten. Sie wollen nicht nach dem billigsten zuerst fragen; ob sie ihn dann
später doch nehmen, ist eine andere Sache.
Ich
kann ihr nicht helfen, aber das Stück Stein kostet hunderttausend Mark. Sie
öffnet erschrocken die müden Augen. «Das können wir nicht bezahlen. Das ist ja
viel mehr, als ...»
Ich
kann mir denken, daß es mehr ist als das, was von der Erbschaft übriggeblieben
ist. «Nehmen Sie doch den kleinen hier», sage ich. «Oder einfach eine
Grabplatte, keinen Stein. Sehen Sie, hier ist eine – sie kostet dreißigtausend
Mark und ist sehr schön. Sie wollen doch nur, daß man weiß, wo Ihr Mann liegt,
und da ist eine Platte ebensogut wie ein Stein.»
Sie
betrachtet die Sandsteinplatte. «Ja – aber ...»
Sie
hat wahrscheinlich kaum Geld für die nächste Miete, aber sie möchte trotzdem
nicht das Billigste kaufen – als ob das dem armen Teufel jetzt nicht ganz egal
wäre. Hätte sie statt dessen früher mehr Verständnis für ihn gehabt und weniger
mit der Tochter gejammert, dann lebte er vielleicht noch. «Wir können die
Inschrift vergolden», sage ich. «Das sieht würdig und vornehm aus.»
«Kostet
die Inschrift extra?»
«Nein.
Sie ist im Preis inbegriffen.»
Es
ist nicht wahr. Aber ich kann mir nicht helfen; sie ist so spatzenhaft in ihren
schwarzen Kleidern. Wenn sie jetzt einen langen Bibelspruch will, bin ich in
der Patsche; den auszuhauen würde mehr als die Platte kosten. Aber sie will nur
den Namen und die Zahlen 1875–1923.
Sie
zieht aus ihrer Tasche einen Haufen einstmals zerknitterter Scheine, die alle
glattgestrichen und gebündelt worden sind. Ich hole tief Luft – Vorauszahlung!
Das ist lange nicht mehr dagewesen. Ernsthaft zählt sie drei Päckchen Scheine
ab. Sie behält fast nichts übrig. «Dreißigtausend. Wollen Sie es nachzählen?»
«Das
brauche ich nicht. Es stimmt schon.»
Es
muß stimmen. Sie hat es sicher oft genug gezählt. «Ich will Ihnen etwas sagen»,
erkläre ich. «Wir geben Ihnen noch eine Grabeinfassung aus Zement dazu. Das
sieht dann sehr ordentlich aus – abgegrenzt.»
Sie
sieht mich ängstlich an. «Umsonst», sage
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