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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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hei­li­ge Mu­ni­ti­ons­fa­bri­kan­ten – kurz, die Er­de scheint, wenn man den
To­des­an­zei­gen glaubt, von ei­ner Hor­de En­gel oh­ne Flü­gel be­wohnt ge­we­sen zu
sein, von de­nen man nichts ge­wußt hat. Lie­be, die im Le­ben wahr­haf­tig nur
sel­ten rein vor­kommt, leuch­tet im To­de von al­len Sei­ten und ist das häu­figs­te,
was es gibt. Es wim­melt nur so von erst­klas­si­gen Tu­gen­den, von treu­er Sor­ge,
von tiefer Fröm­mig­keit, von selbst­lo­ser Hin­ga­be, und auch die Hin­ter­blie­be­nen
wis­sen, was sich ge­hört – sie sind von Kum­mer ge­beugt, der Ver­lust ist
un­er­setz­lich, sie wer­den den Ver­stor­be­nen nie ver­ges­sen – es ist er­he­bend, das
zu le­sen, und man könn­te stolz sein, zu ei­ner Ras­se zu ge­hö­ren, die so no­ble
Ge­füh­le hat.
    Ich
schnei­de die To­des­an­zei­ge des Bäcker­meis­ters Nie­buhr aus. Er wird als gü­ti­ger,
treu­be­sorg­ter, ge­lieb­ter Gat­te und Va­ter ge­schil­dert. Ich selbst ha­be Frau
Nie­buhr mit auf­ge­lös­ten Flech­ten aus dem Hau­se flie­hen se­hen, wenn der gü­ti­ge
Nie­buhr mit sei­nem Ho­sen­rie­men hin­ter ihr her war und auf sie ein­schlug; und ich
ha­be den Arm ge­se­hen, den der treu­sor­gen­de Va­ter sei­nem Soh­ne Ro­land ge­bro­chen
hat, als er ihn in ei­nem An­fall von Jäh­zorn aus dem Fens­ter der Par­terre­woh­nung
warf. Es konn­te der schmerz­ge­beug­ten Wit­we gar nichts Bes­se­res pas­sie­ren, als
daß die­ser Wü­te­rich end­lich, vom Schlag ge­trof­fen, beim Ba­cken der
Mor­gen­bröt­chen und der He­fe­ku­chen da­hinsank; trotz­dem aber glaubt sie das
plötz­lich nicht mehr. Al­les, was Nie­buhr an­ge­rich­tet hat, ist durch den Tod
weg­ge­wischt. Er ist ein Ide­al ge­wor­den. Der Mensch, der im­mer ein er­staun­li­ches
Ta­lent zur Selbst­täu­schung und Lü­ge hat, läßt es bei To­des­fäl­len be­son­ders hell
glän­zen und nennt es Pie­tät. Das er­staun­lichs­te aber ist, daß er das, was er
dann be­haup­tet, selbst bald so fest glaubt, als hät­te er ei­ne Rat­te in einen Hut
ge­steckt und gleich dar­auf ein schnee­wei­ßes Ka­nin­chen her­aus­ge­zo­gen.
    Frau
Nie­buhr hat die­se ma­gi­sche Ver­wand­lung durch­ge­macht, als man den ba­cken­den
Lum­pen, der sie täg­lich ver­hau­te, die Trep­pe her­auf­schlepp­te. An­statt auf die
Knie zu fal­len und Gott für die Be­frei­ung zu dan­ken, be­gann in ihr so­fort die
Ver­klä­rung durch den Tod. Wei­nend stürz­te sie sich auf den Leich­nam, und
seit­dem sind ih­re Au­gen nicht tro­cken ge­wor­den. Ih­rer Schwes­ter, die sie an die
vie­len Prü­gel und an Ro­lands falsch ge­heil­ten Arm er­in­ner­te, er­klär­te sie
in­di­gniert, das sei­en Klei­nig­kei­ten, und die Hit­ze des Back­ofens sei schuld
dar­an ge­we­sen; Nie­buhr, in sei­ner nie er­mü­den­den Sor­ge für die Fa­mi­lie, ha­be
zu­viel ge­ar­bei­tet, und der Back­ofen ha­be bei ihm ab und zu wie ein Son­nen­stich ge­wirkt.
Da­mit wies sie ih­rer Schwes­ter die Tür und trau­er­te wei­ter. Sie ist sonst ei­ne
ver­nünf­ti­ge, red­li­che und ar­beit­sa­me Frau, die weiß, was los ist, aber jetzt
sieht sie Nie­buhr auf ein­mal so, wie er nie­mals war, und glaubt es fest, und
das ist es, was so be­wun­derns­wert dar­an ist. Der Mensch ist näm­lich nicht nur
ein ewi­ger Lüg­ner, son­dern auch ein ewi­ger Gläu­bi­ger; er glaubt an das Gu­te und
Schö­ne und Voll­kom­me­ne, selbst wenn es nicht vor­han­den ist oder nur sehr
ru­di­men­tär – und das ist der zwei­te Grund da­für, daß mich das Le­sen der
To­des­an­zei­gen er­baut und zum Op­ti­mis­ten macht.
    Ich
le­ge die
An­zei­ge Nie­buhrs zu den sie­ben an­de­ren, die ich her­aus­ge­schnit­ten ha­be. Mon­tags
und diens­tags ha­ben wir im­mer ein paar mehr als sonst. Das Wo­chen­en­de tut das;
es wird ge­fei­ert, ge­ges­sen, ge­trun­ken, ge­strit­ten, sich auf­ge­regt – und das
Herz, die Ar­te­ri­en und der Schä­del hal­ten es dies­mal nicht mehr aus. Frau
Nie­buhrs An­zei­ge le­ge ich in das Fach für Hein­rich Kroll. Es ist ein Fall für
ihn. Er ist ein auf­rech­ter Mann oh­ne Iro­nie und hat von der ver­klä­ren­den
Wir­kung des To­des die­sel­be Vor­stel­lung wie sie, so­lan­ge sie

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