E.M. Remarque
gußeiserne Satan hat eine mimosenhafte Phantasie.»
«Riesenfeld!»
Georg zieht eine geringschätzige Grimasse. Der Herrscher der Odenwaldwerke mit
seiner oberflächlichen Lust auf französische Damen ist für ihn ein trostloser
Emporkömmling. Was weiß dieser wildgewordene Kleinbürger schon über den
deliziösen Skandal bei der Ehescheidung der Gräfin Homburg? Oder über die
letzte Premiere der Elisabeth Bergner? Er kennt nicht einmal die Namen! Georg
aber weiß den Gotha und das Künstler-Lexikon fast auswendig. «Wir müßten Lisa
eigentlich einen Blumenstrauß schicken», sagt er. «Sie hat uns geholfen, ohne
daß sie es weiß.»
Ich
sehe ihn wieder scharf an. «Das tu nur selber», erwidere ich. «Sage mir lieber,
ob Riesenfeld ein allseitig poliertes Kreuzdenkmal in die Bestellung
hineingeschmissen hat.»
«Zwei.
Das zweite verdanken wir Lisa. Ich habe ihm gesagt, wir würden es so
aufstellen, daß sie es immer sehen könne. Ihm schien etwas daran zu liegen.»
«Wir
können es hier im Büro ans Fenster stellen. Es wird morgens, wenn sie aufsteht,
und wenn die Sonne es bescheint, einen starken Eindruck auf sie machen. Ich
könnte Memento mori in Gold draufpinseln. Was gibt es heute bei Eduard?»
«Deutsches
Beefsteak.»
«Gehacktes
Fleisch also. Warum ist zerhacktes Fleisch deutsch?»
«Weil
wir ein kriegerisches Volk sind und sogar im Frieden unsere Gesichter in
Duellen zerhacken. Du riechst nach Schnaps. Warum? Doch nicht wegen Erna?»
«Nein.
Weil wir alle sterben müssen. Mich erschüttert das manchmal noch, trotzdem ich
es schon seit einiger Zeit weiß.»
«Das
ist ehrenwert. Besonders in unserem Beruf. Weißt du, was ich möchte?»
«Natürlich.
Du möchtest Matrose auf einem Walfischfänger sein; oder Koprahändler in Tahiti;
oder Nordpolentdecker, Amazonasforscher, Einstein und Scheik Ibrahim mit einem
Harem von Frauen zwanzig verschiedener Nationen, einschließlich der
Zirkassierinnen, die so feurig sein sollen, daß man sie nur mit einer
Asbestmaske umarmen kann.
«Das
ist selbstverständlich. Aber außerdem möchte ich noch dumm sein; strahlend
dumm. Das ist das größte Geschenk für unsere Zeit.»
«Dumm
wie Parzival?»
«Weniger
erlöserhaft. Gläubig, friedlich, gesund, bukolisch dumm.»
«Komm»,
sage ich. «Du bist hungrig. Unser Fehler ist, daß wir weder wirklich dumm noch
wirklich gescheit sind. Immer so dazwischen, wie Affen in den Ästen. Das macht
müde und manchmal traurig. Der Mensch muß wissen, wohin er gehört.»
«Tatsächlich?»
«Nein»,
erwidere ich. «Das macht ihn auch nur seßhaft und dick. Aber wie wäre es, wenn
wir heute abend ins Konzert gingen, um für die Rote Mühle einen Ausgleich zu
schaffen? Es wird Mozart gespielt.»
«Ich
lege mich heute abend früh schlafen», erklärt Georg. «Das ist mein Mozart. Geh
allein hin. Stelle dich mutig und einsam dem Ansturm des Guten. Es ist nicht
ohne Gefahr und richtet mehr Zerstörungen an als schlichte Bosheit.»
«Ja»,
sage ich und denke an die spatzenhafte Frau vom Vormittag.
Es
ist später
Nachmittag. Ich lese die Familiennachrichten der Zeitungen und schneide die
Todesanzeigen aus. Das gibt mir immer den Glauben an die Menschheit zurück –
besonders nach Abenden, an denen wir unsere Lieferanten oder Agenten bewirten
mußten. Wenn es nach den Todesanzeigen ginge, wäre der Mensch nämlich absolut
vollkommen. Es gibt da nur perfekte Väter, makellose Ehemänner, vorbildliche
Kinder, uneigennützige, sich aufopfernde Mütter, allerseits betrauerte
Großeltern, Geschäftsleute, gegen die Franziskus von Assisi ein hemmungsloser
Egoist gewesen sein muß, gütetriefende Generäle, menschliche Staatsanwälte,
fast
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