E.M. Remarque
würden irgendwann einmal wieder
aufgewertet werden. Woher das Gerücht kam, weiß kein Mensch. Nirgendwo auf
ihnen steht, daß sie in Gold auszahlbar sind, und selbst wenn es dastünde: der
Staat, dieser immune Betrüger, der selbst Billionen unterschlägt, aber jeden,
der ihm nur fünf Mark veruntreut, einsperrt, würde schon einen Kniff finden,
sie nicht auszuzahlen. Erst vorgestern hat in der Zeitung eine Erklärung
gestanden, daß sie keine Vorzugsbehandlung genießen würden. Dafür steht heute
die Todesanzeige Hopfs drin.
Aus der Werkstatt des
Sargtischlers Wilke dringt Klopfen, als hause dort ein riesiger fröhlicher
Specht. Wilkes Geschäft blüht; einen Sarg braucht schließlich jeder, sogar ein
Selbstmörder – die Zeit der Massengräber und der Beerdigungen in Zeltbahnen ist
seit dem Krieg vorbei. Man verfault wieder standesgemäß, in langsam morsch
werdendem Holz, im Totenhemd oder im Frack ohne Rücken und im Totenkleid aus
weißem Crêpe de Chine. Der Bäckermeister Niebuhr sogar im Schmuck aller seiner
Orden und Vereinsabzeichen; seine Frau hat darauf bestanden. Auch eine Kopie
der Vereinsfahne des Gesangvereins Eintracht hat sie ihm mitgegeben. Er war
dort zweiter Tenor. Jeden Samstag brüllte er das «Schweigen im Walde» und
«Stolz weht die Flagge schwar-zweiß-rot», trank genug Bier, um fast zu platzen,
und ging dann nach Hause, seine Frau zu verprügeln. Ein aufrechter Mann, wie
der Pastor am Grabe sagte.
Heinrich
Kroll verschwindet zum Glück um zehn Uhr, mit Fahrrad und gestreifter Hose, um auf
die Dörfer zu gehen. So viel frischer Granit macht sein Kaufmannsherz unruhig;
er muß los, ihn an die trauernden Hinterbliebenen zu bringen.
Wir
können uns jetzt freier entfalten. Zunächst machen wir eine Pause und werden
von Frau Kroll mit Leberwurstbutterbroten und Kaffee erquickt. Lisa erscheint
am Hoftor. Sie trägt ein knallrotes Seidenkleid. Die alte Frau Kroll
verscheucht sie mit einem Blick. Sie kann Lisa nicht ausstehen, obschon sie
keine Kirchenläuferin ist.
«Diese
dreckige Schlampe», erklärt sie zielsicher.
Georg
fällt prompt darauf herein. «Dreckig? Wieso ist sie dreckig?»
«Sie
ist dreckig, siehst du das nicht? Ungewaschen, aber einen Seidenfetzen
darüber.»
Ich
sehe, daß Georg unwillkürlich nachdenklich wird. Dreck hat keiner gern an der
Geliebten, wenn er nicht dekadent ist. Seine Mutter hat eine Sekunde lang eine
Art Triumphblitz im Auge; dann wechselt sie das Thema. Ich schaue sie
bewundernd an; sie ist ein Feldherr mit mobilen Einheiten – schlägt rasch zu,
und wenn der Gegner sich langsam zur Wehr anschickt, ist sie schon ganz
woanders. Lisa mag schlampig sein; aber auffallend dreckig ist sie bestimmt
nicht.
Die
drei Töchter des Feldwebels Knopf schwirren aus dem Hause. Sie sind klein,
rundlich und flink, Näherinnen wie ihre Mutter. Den ganzen Tag surren ihre
Maschinen. Jetzt zwitschern sie davon, Pakete mit unerschwinglich teuren
seidenen Hemden für die Schieber in ihren Händen. Knopf, der alte Militär, gibt
von seiner Pension keinen Pfennig an den Haushalt ab; dafür haben die vier
Frauen zu sorgen.
Vorsichtig
packen wir unsere beiden schwarzen Kreuzdenkmäler aus. Eigentlich sollten sie
im Eingang stehen, um einen reichen Effekt zu machen, und im Winter hätten wir
sie auch dahin gestellt; aber es ist Mai, und so sonderbar es auch sein mag: unser
Hof ist ein Tummelplatz der Katzen und der Liebenden. Die Katzen schreien
bereits im Februar von den Hügelsteinen herab und jagen sich hinter den
Grabeinfassungen aus Zement – die Liebenden aber stellen sich prompt ein, wenn
es warm genug ist, im Freien zu lieben – und wann ist es dazu zu kalt? Die
Hakenstraße ist abgelegen und still, unser Hoftor einladend und der
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