Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
Gar­ten alt
und groß. Die et­was ma­ka­b­re Aus­stel­lung stört die Lie­bes­paa­re nicht; im
Ge­gen­teil, sie scheint sie zu be­son­de­rem Un­ge­stüm an­zu­fa­chen. Es ist erst zwei
Wo­chen her, daß ein Kaplan aus dem Dorf Hal­le, der wie al­le Got­tes­män­ner mit
den Hüh­nern auf­zu­ste­hen ge­wohnt ist, mor­gens um sie­ben bei uns er­schi­en, um
vier der kleins­ten Hü­gel­stei­ne für die Grä­ber von im Lau­fe des Jah­res ver­stor­be­nen
barm­her­zi­gen Schwes­tern zu kau­fen. Als ich ihn schlaf­trun­ken in den Gar­ten
führ­te, konn­te ich ge­ra­de noch recht­zei­tig ein ro­sa Hös­chen aus Kunst­sei­de
ent­fer­nen, das wie ei­ne Fah­ne am rech­ten Arm un­se­res all­sei­tig po­lier­ten
Kreuz­denk­mals flat­ter­te und von ei­nem be­geis­ter­ten nächt­li­chen Paar ver­ges­sen
wor­den war. Das Le­ben zu sä­en an der Stät­te des To­des hat si­cher et­was im
wei­ten, poe­ti­schen Sin­ne Ver­söhn­li­ches, und Ot­to Bam­buss, der dich­ten­de
Schul­meis­ter un­se­res Klubs, hat, als ich ihm das er­zähl­te, die Idee so­fort
ge­stoh­len und zu ei­ner Ele­gie mit kos­mi­schem Hu­mor ver­ar­bei­tet – aber sonst
kann es doch recht stö­rend wir­ken, be­son­ders wenn in der Nä­he dann noch ei­ne
lee­re Schnaps­fla­sche in der frü­hen Son­ne glänzt.
    Ich
über­se­he
die Aus­stel­lung. Sie wirkt ge­fäl­lig, so­weit man das von Lei­chen­stei­nen sa­gen
kann. Die bei­den Kreu­ze ste­hen schim­mernd auf ih­ren So­ckeln in der Mor­gen­son­ne,
Sym­bo­le der Ewig­keit, ge­schlif­fe­ne Tei­le der einst glü­hen­den Er­de, er­kal­tet,
po­liert und jetzt be­reit, für im­mer den Na­men ir­gend­ei­nes er­folg­rei­chen
Ge­schäfts­man­nes oder rei­chen Schie­bers für die Nach­welt auf­zu­be­wah­ren – denn
selbst ein Gau­ner will nicht gern ganz oh­ne Spur von die­sem Pla­ne­ten
ver­schwin­den.
    «Ge­org»,
sa­ge ich, «wir müs­sen auf­pas­sen, daß dein Bru­der un­ser Wer­den­brücker Gol­ga­tha
nicht an ein paar Mist­bau­ern ver­kauft, die erst nach der Ern­te zah­len. Laß uns
an die­sem blau­en Tag, un­ter Vo­gel­ge­sang und Kaf­fee­ge­ruch, einen hei­li­gen Schwur
schwö­ren: Die bei­den Kreu­ze wer­den nur ge­gen Bar­zah­lung ver­kauft!»
    Ge­org
schmun­zelt. «Es ist nicht ganz so ge­fähr­lich. Wir ha­ben un­sern Wech­sel in drei
Wo­chen ein­zu­lö­sen. So­lan­ge wir das Geld frü­her her­ein­be­kom­men, ha­ben wir
ver­dient.»
    «Was
ver­dient?» er­wi­de­re ich. «Ei­ne Il­lu­si­on – bis zum nächs­ten Dol­lar­kurs.»
    «Du
bist manch­mal zu ge­schäft­lich», Ge­org zün­det sich um­ständ­lich ei­ne Zi­gar­re im
Wer­te von fünf­tau­send Mark an. «An­statt zu jam­mern soll­test du lie­ber die
In­fla­ti­on als um­ge­kehr­tes Sym­bol des Le­bens auf­fas­sen. Je­der ge­leb­te Tag ist
ein Tag Da­sein we­ni­ger. Wir le­ben vom Ka­pi­tal, nicht von den Zin­sen. Je­den Tag
steigt der Dol­lar; aber je­de Nacht fällt der Kurs dei­nes Le­bens um einen Tag.
Wie wä­re es mit ei­nem So­nett dar­über?»
    Ich
be­trach­te den selbst­ge­fäl­li­gen So­kra­tes der Ha­ken­stra­ße. Leich­ter Schweiß ziert
sei­nen kah­len Kopf wie Per­len ein hel­les Kleid. «Es ist er­staun­lich, wie
phi­lo­so­phisch man sein kann, wenn man nachts nicht al­lein ge­schla­fen hat», sa­ge
ich.
    Ge­org
zuckt nicht mit der Wim­per. «Wann sonst?» er­klärt er ru­hig. «Phi­lo­so­phie soll
hei­ter sein und nicht ge­quält. Me­ta­phy­si­sche Spe­ku­la­tio­nen da­mit zu ver­knüp­fen
ist das­sel­be, wie Sin­nen­freu­de mit dem, was die Mit­glie­der eu­res Dich­ter­klubs
idea­le Lie­be nen­nen. Es wird ein un­er­träg­li­cher Misch­masch.»
    «Ein
Misch­masch?» sa­ge ich, ir­gend­wo ge­trof­fen. «Sieh ein­mal an, du Klein­bür­ger des
Aben­teu­ers! Du Schmet­ter­lings­samm­ler, der al­les auf Na­deln spie­ßen will! Weißt
du nicht, daß man tot ist oh­ne das, was du Misch­masch nennst?»
    «Nicht
die Spur. Ich hal­te nur die Din­ge aus­ein­an­der.»
    Ge­org
bläst mir den Rauch sei­ner Zi­gar­re ins Ge­sicht.
    «Ich
lei­de lie­ber wür­dig und mit phi­lo­so­phi­scher Schwer­mut an der Flüch­tig­keit des
Le­bens, als daß ich den

Weitere Kostenlose Bücher