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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ge­hal­ten.
Der Hof ist voll von Denk­mä­lern und So­ckeln. Die all­sei­tig po­lier­ten sind in
Lat­ten ein­ge­schla­gen und in Sack­lei­nen ein­gehüllt. Sie sind die Pri­ma­don­nen
un­ter den Lei­chen­stei­nen und müs­sen äu­ßerst vor­sich­tig be­han­delt wer­den, da­mit
den Kan­ten nichts ge­schieht.
    Die
gan­ze Be­leg­schaft steht im Hof, um zu hel­fen und zu­zu­se­hen. So­gar die al­te Frau
Kroll wan­dert um­her, prüft die Schwär­ze und Fein­heit des Gra­nits und wirft ab
und zu einen weh­mü­ti­gen Blick auf den Obe­lis­ken ne­ben der Tür – das ein­zi­ge,
was von den Ein­käu­fen ih­res to­ten Ge­mahls üb­rig­ge­blie­ben ist.
    Kurt
Bach di­ri­giert einen mäch­ti­gen Block Sand­stein in sei­ne Werk­statt. Ein neu­er
ster­ben­der Lö­we wird dar­aus ent­ste­hen, aber die­ses Mal nicht ge­beugt, mit
Zahn­schmer­zen, son­dern mit letz­ter Kraft brül­lend, einen ab­ge­bro­che­nen Speer in
der Flan­ke. Er ist für das Krie­ger­denk­mal des Dor­fes Wüstrin­gen be­stimmt, in
dem ein be­son­ders za­cki­ger Krie­ger­ver­ein un­ter dem Be­fehl des Ma­jors a. D.
Wol­ken­stein haust. Wol­ken­stein war der trau­ern­de Lö­we zu wasch­lap­pig. Er hät­te
am liebs­ten einen mit vier feu­er­spei­en­den Köp­fen be­stellt.
    Ei­ne
Sen­dung der Würt­tem­ber­gi­schen Me­tall­wa­ren­fa­brik, die gleich­zei­tig an­ge­kom­men
ist, wird eben­falls aus­ge­packt. Vier auf­flie­gen­de Ad­ler wer­den in ei­ner Rei­he
ne­ben­ein­an­der auf den Bo­den ge­stellt, zwei aus Bron­ze und zwei aus Guß­ei­sen.
Sie sind da, um an­de­re Krie­ger­denk­mä­ler zu krö­nen und die Ju­gend des Lan­des für
einen neu­en Krieg zu be­geis­tern – denn, wie Ma­jor a. D. Wol­ken­stein so
über­zeu­gend er­klärt: Ein­mal müs­sen wir schließ­lich doch ge­win­nen, und dann we­he
den an­de­ren! Vor­läu­fig se­hen die Ad­ler al­ler­dings nur wie rie­si­ge Hüh­ner aus,
die Ei­er le­gen wol­len – doch das wird sich schon än­dern, wenn sie erst oben auf
den Denk­mä­lern thro­nen. Auch Ge­nerä­le wir­ken oh­ne Uni­form leicht wie
He­rings­bän­di­ger, und so­gar Wol­ken­stein sieht in Zi­vil nur aus wie ein fet­ter
Sport­leh­rer. Auf­ma­chung und Di­stanz sind al­les in un­se­rem ge­lieb­ten Va­ter­land.
    Ich
über­wa­che, als Re­kla­me­chef, die An­ord­nung der Denk­mä­ler. Sie sol­len nicht be­zie­hungs­los
ne­ben­ein­an­der­ste­hen, son­dern freund­li­che Grup­pen bil­den und künst­le­risch durch
den Gar­ten ver­teilt wer­den. Hein­rich Kroll ist da­ge­gen. Er hat lie­ber, wenn die
Stei­ne wie Sol­da­ten aus­ge­rich­tet sind; al­les an­de­re er­scheint ihm
ver­weich­licht. Zum Glück wird er über­stimmt. Auch sei­ne Mut­ter ist ge­gen ihn.
Sie ist ei­gent­lich im­mer ge­gen ihn. Sie weiß heu­te noch nicht, wie­so Hein­rich
ihr Kind ist und nicht das der Ma­jo­rin a. D. Wol­ken­stein.
    Der Tag ist blau und
sehr schön. Der Him­mel bauscht sich wie ein rie­si­ges Sei­den­zelt über der Stadt.
Die feuch­te Küh­le des Mor­gens hängt noch in den Kro­nen der Bäu­me. Die Vö­gel
zwit­schern, als gä­be es nur den be­gin­nen­den Som­mer, die Nes­ter und das jun­ge
Le­ben dar­in. Es geht sie nichts an, daß der Dol­lar wie ein häß­li­cher,
schwam­mi­ger Pilz auf fünf­zig­tau­send an­ge­schwol­len ist. Auch nicht, daß in der
Mor­gen­zei­tung drei Selbst­mor­de ge­mel­det wor­den sind – al­le von ehe­ma­li­gen
klei­nen Rent­nern; al­le auf die Lieb­lings­art der Ar­men be­gan­gen: mit dem of­fe­nen
Gas­hahn. Die Rent­ne­rin Ku­bal­ke ist mit dem Kopf im Back­ofen ih­res Her­des
ge­fun­den wor­den; der pen­sio­nier­te Rech­nungs­rat Hopf frisch ra­siert, in sei­nem
letz­ten, ta­del­los ge­bürs­te­ten, stark ge­flick­ten An­zug, vier wert­lo­se
rot­ge­stem­pel­te Tau­send­mark­schei­ne wie Ein­laß­bil­let­te zum Him­mel in der Hand;
und die Wit­we Glaß auf dem Flur ih­rer Kü­che, ihr Spar­kas­sen­buch, das ei­ne
Ein­la­ge von fünf­zig­tau­send Mark zeig­te, zer­ris­sen ne­ben sich. Die
rot­ge­stem­pel­ten Tau­send­mark­schei­ne Hopfs sind ei­ne letz­te Fah­ne der Hoff­nung
ge­we­sen; seit lan­gem be­stand der Glau­be, sie

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