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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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meis­ten Kir­chen? Oder wo war sei­ne
Ge­rech­tig­keit, wenn er ein Land ge­win­nen ließ, das an­de­re aber nicht, ob­schon
auch dort flei­ßig ge­be­tet wur­de? Manch­mal kam er mir auch vor wie ein
ab­ge­hetz­ter al­ter Kai­ser über vie­le Staa­ten, der dau­ernd zu Re­prä­sen­ta­tio­nen
muß­te und im­mer die Uni­form zu wech­seln hat­te – jetzt die ka­tho­li­sche, dann die
pro­tes­tan­ti­sche, die evan­ge­li­sche, die an­gli­ka­ni­sche, die epi­sko­pa­li­sche, die
re­for­mier­te, je nach dem Got­tes­dienst, der ge­ra­de ge­hal­ten wur­de, so wie ein
Kai­ser bei den Pa­ra­den von Hu­sa­ren, Gre­na­die­ren, Ar­til­le­rie und Ma­ri­ne.
    Die
Krän­ze wer­den nie­der­ge­legt. Wir ha­ben auch einen da­bei, im Na­men der Fir­ma.
Wol­ken­stein stimmt mit sei­ner über­schnap­pen­den Stim­me das Lied «Deutsch­land,
Deutsch­land über al­les» an. Das scheint im Pro­gramm nicht vor­ge­se­hen zu sein;
die Mu­sik schweigt, und nur ein paar Stim­men fal­len ein. Wol­ken­stein wird rot
und dreht sich wü­tend um. In der Ka­pel­le be­gin­nen der Trom­pe­ter und dann das
Eng­lisch­horn die Me­lo­die zu über­neh­men. Bei­de über­tö­nen Wol­ken­stein, der jetzt
mäch­tig winkt. Die an­de­ren In­stru­men­te fin­den sich, und un­ge­fähr die Hälf­te
al­ler Ver­sam­mel­ten singt all­mäh­lich mit; aber Wol­ken­stein hat zu hoch
an­ge­fan­gen, und es wird ein ziem­li­ches Quiet­schen. Zum Glück grei­fen die Da­men
ein. Sie ste­hen zwar im Hin­ter­grund, doch sie ret­ten die Si­tua­ti­on und brin­gen
das Lied sieg­haft zu En­de. Oh­ne zu wis­sen warum, fällt mir Renée de la Tour ein
– sie hät­te es al­lein ge­konnt.
    Nach­mit­tags be­ginnt der
ge­müt­li­che Teil. Wir müs­sen noch blei­ben, da wir un­ser Geld noch nicht be­kom­men
ha­ben. Durch die lan­ge pa­trio­ti­sche Re­de Wol­ken­steins ha­ben wir den Dol­lar­kurs
vom Mit­tag ver­säumt – wahr­schein­lich ein er­heb­li­cher Ver­lust. Es ist heiß, und
der ge­borg­te klei­ne Be­suchs­an­zug ist mir zu eng um die Brust. Am Him­mel ste­hen
di­cke wei­ße Wol­ken, auf dem Tisch ste­hen di­cke Glä­ser mit Stein­hä­ger-Schnaps
und da­ne­ben lan­ge Glas­stan­gen mit Bier. Die Köp­fe sind rot, die Ge­sich­ter
glit­zern von Schweiß. Das Fes­tes­sen für die To­ten war fett und reich­lich. Am
Abend soll großer pa­trio­ti­scher Ball im Nie­der­säch­si­schen Hof sein. Über­all
hän­gen Gir­lan­den aus Pa­pier, Fah­nen, na­tür­lich schwarz­weiß­ro­te, und Krän­ze aus
Tan­nen­grün. Nur am letz­ten Hau­se des Dor­fes hängt aus dem Bo­den­fens­ter ei­ne schwarz­rot­gol­de­ne
Fah­ne. Es ist die Fah­ne der deut­schen Re­pu­blik. Die schwarz­weiß­ro­ten sind die
des al­ten Kai­ser­rei­ches. Sie sind ver­bo­ten; aber Wol­ken­stein hat er­klärt, die
To­ten sei­en un­ter den ruhm­rei­chen, al­ten Far­ben ge­fal­len, und je­der, der die
schwarz­rot­gol­de­ne auf­zie­he, sei ein Ver­rä­ter. So­mit ist der Tisch­ler Bes­te, der
dort wohnt, ein Ver­rä­ter. Er hat zwar einen Lun­gen­schuß im Krieg er­hal­ten, aber
er ist ein Ver­rä­ter. In un­serm ge­lieb­ten Va­ter­land wird man leicht zum Ver­rä­ter
er­klärt. Nur die Wol­ken­steins sind nie­mals wel­che. Sie sind das Ge­setz. Sie
be­stim­men, wer ein Ver­rä­ter ist.
    Die
Stim­mung steigt. Die äl­te­ren Leu­te ver­schwin­den. Ein Teil des Krie­ger­ver­eins
auch. Die Ar­beit auf dem Fel­de ruft sie ab. Die ei­ser­ne Gar­de, wie Wol­ken­stein
sie nennt, bleibt. Die Pas­to­ren sind längst ge­gan­gen. Die ei­ser­ne Gar­de be­steht
aus den jün­ge­ren Leu­ten. Wol­ken­stein, der die Re­pu­blik ver­ach­tet, aber die
Pen­si­on, die sie ihm ge­währt, an­nimmt und da­zu be­nutzt, ge­gen die Re­gie­rung zu
het­zen, hält ei­ne neue An­spra­che, die mit dem Wor­te «Ka­me­ra­den» be­ginnt. Das
ist zu­viel für mich. Ka­me­ra­den hat uns kein Wol­ken­stein je ge­nannt, als er noch
im Dienst war. Da wa­ren wir Mus­ko­ten, Schwei­ne­hun­de, Idio­ten, und wenn es hoch
kam, Leu­te. Nur ein­mal, am Abend vor ei­nem An­griff, nann­te uns der Schind­ler
Hel­le, un­ser Ober­leut­nant, der frü­her Forstrat war, Ka­me­ra­den. Er hat­te

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