E.M. Remarque
offen.
«Noch
einen Schnaps?» fragt Döbbeling und grinst ebenfalls. Sie haben uns in der
Falle. Wir können nichts machen.
In
diesem Augenblick kommt jemand rasch über den Hof gelaufen. «Herr Vorsteher!»
schreit er durchs Fenster. «Sie müssen rasch kommen. Es ist was passiert!»
«Was?»
«Beste!
Sie haben den Tischler – sie wollten seine Fahne herunterholen, und da ist es
passiert!»
«Was?
Hat Beste geschossen? Dieser verdammte Sozialist!»
«Nein!
Beste ist – er blutet ...»
«Sonst
keiner?»
«Nein,
nur Beste ...»
Das
Gesicht Döbbelings wird heiter. «Ach so! Deshalb brauchen Sie doch nicht so zu
schreien!»
«Er
kann nicht aufstehen. Blutet aus dem Mund.»
«Hat
ein paar in seine freche Schnauze gekriegt», erklärt der kleine Schreiber.
«Wozu muß er die andern auch herausfordern? Wir kommen schon. Alles mit der
Ruhe.»
«Sie
entschuldigen wohl», sagt Döbbeling würdig zu uns. «Aber dies ist amtlich. Ich
muß die Sache untersuchen. Wir müssen Ihre Angelegenheit verschieben.»
Er
glaubt, uns jetzt völlig erledigt zu haben und zieht seinen Rock an. Wir gehen
mit ihm hinaus. Er hat keine große Eile. Wir wissen warum. Niemand wird sich
mehr erinnern, wenn er ankommt, wer Beste verprügelt hat. Eine alte Sache.
Beste
liegt im engen Flur seines Hauses. Die Fahne der Republik liegt zerrissen neben
ihm. Vor dem Hause steht eine Anzahl Leute. Von der eisernen Garde sind keine
dabei. «Was ist passiert?» fragt Döbbeling den Gendarmen, der mit einem
Notizbuch neben der Tür steht.
Der
Gendarm will berichten. «Waren Sie dabei?» fragt er.
«Nein.
Ich wurde später geholt.»
«Gut.
Dann wissen Sie also nichts. Wer war dabei?»
Niemand
antwortet. «Wollen Sie nicht einen Arzt holen lassen?» fragt Georg.
Döbbeling
sieht ihn unfreundlich an. «Ist das nötig? Etwas Wasser ...»
«Es
ist nötig. Der Mann stirbt.»
Döbbeling
dreht sich eilig herum und beugt sich über Beste. «Stirbt?»
«Stirbt.
Er hat einen schweren Blutsturz. Vielleicht hat er auch Brüche. Es sieht aus,
als wäre er die Treppe hinuntergeworfen worden.»
Döbbeling
sieht Georg Kroll mit einem langsamen Blick an. «Das dürfte einstweilen wohl
nur Ihre Vermutung sein, Herr Kroll, und weiter nichts. Wir wollen dem
Kreisarzt überlassen, das festzustellen.»
«Kommt
kein Arzt für den Mann hier?»
«Lassen
Sie das meine Sorge sein. Einstweilen bin ich der Ortsvorsteher und nicht Sie.
Holt Doktor Bredius», sagt Döbbeling zu zwei Burschen mit Fahrrädern. «Sagt,
ein Unglück sei passiert.»
Wir
warten. Bredius kommt auf einem der Fahrräder der beiden Burschen. Er springt
herunter und geht in den Flur. «Der Mann ist tot», sagt er, als er wieder
aufsteht.
«Tot?»
«Ja,
tot. Das ist doch Beste, nicht wahr? Der mit dem Lungenschuß.»
Der
Vorsteher nickt unbehaglich. «Es ist Beste. Von einem Lungenschuß weiß ich
nichts. Aber vielleicht hat der Schreck – er hatte wohl ein schwaches Herz ...»
«Davon
bekommt man keinen Blutsturz», erklärt Bredius trocken. «Was ist denn
passiert?»
«Das
nehmen wir gerade auf. Bitte nur die Leute hierzubleiben, die als Zeugen
aussagen können.» Er sieht Georg und mich an.
«Wir
kommen später wieder», sage ich.
Mit
uns gehen fast alle Leute fort, die herumstehen. Es wird wenige Zeugen geben.
Wir
sitzen im Niedersächsischen Hof. Georg ist so wütend, wie ich ihn lange Zeit
nicht gesehen habe. Ein junger Arbeiter erscheint. Er setzt sich zu uns. «Waren
Sie dabei?» fragt Georg.
«Ich
war dabei, als Wolkenstein die andern aufhetzte, die Fahne herunterzuholen. Den
Schmachfleck zu beseitigen, nannte er das.»
«Ging
Wolkenstein mit?»
«Nein.»
«Natürlich
nicht. Und die andern?»
«Ein
ganzer Haufen stürmte zu Beste hinüber. Sie hatten alle getrunken.»
«Und
dann?»
«Ich
glaube, Beste hat sich gewehrt.
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