E.M. Remarque
Angst,
daß ihn am nächsten Morgen eine Kugel von hinten treffen würde.
Wir
gehen zum Gemeindevorsteher. Er hockt bei Kaffee, Kuchen und Zigarren in seinem
Hause und weigert sich, zu zahlen. Wir haben uns schon so etwas gedacht. Zum
Glück ist Heinrich Kroll nicht bei uns; er ist bewundernd bei Wolkenstein
geblieben. Kurt Bach ist mit einer kräftigen Dorfschönen in die Getreidefelder
gegangen, um die Natur zu genießen. Georg und ich stehen dem Vorsteher
Döbbeling gegenüber, der von seinem buckligen Schreiber Westhaus unterstützt
wird. «Kommen Sie nächste Woche wieder», sagt Döbbeling gemütlich und bietet
uns Zigarren an. «Dann haben wir alles zusammengerechnet und werden Sie glatt
auszahlen. Jetzt in dem Trubel war es noch nicht möglich, fertig zu werden.»
Wir
nehmen die Zigarren. «Das mag sein», erwidert Georg. «Aber wir brauchen das
Geld heute, Herr Döbbeling.»
Der
Schreiber lacht. «Geld braucht jeder.»
Döbbeling
blinzelt ihm zu. Er schenkt Schnaps ein.
«Nehmen
wir einen darauf!»
Er
hat uns nicht eingeladen, zur Feier zu kommen. Das war Wolkenstein, der nicht
an schnöden Mammon denkt. Döbbeling wäre es lieber gewesen, keiner von uns wäre
erschienen – oder höchstens Heinrich Kroll. Mit dem wäre er leicht fertig
geworden.
«Es
war abgemacht, daß bei der Einweihung gezahlt werden soll», sagt Georg.
Döbbeling
hebt gleichmütig die Schultern. «Das ist ja fast dasselbe – nächste Woche. Wenn
Sie überall so prompt Ihr Geld kriegten ...»
«Wir
kriegen es, sonst liefern wir nicht.»
«Na,
dieses Mal haben Sie geliefert. Prost!»
Wir
verweigern den Schnaps nicht. Döbbeling blinzelt dem ihn bewundernden Schreiber
zu. «Guter Schnaps», sage ich.
«Noch
einen?» fragt der Schreiber.
«Warum
nicht?»
Der
Schreiber schenkt ein. Wir trinken. «Also – gut», sagt Döbbeling. «Dann nächste
Woche.»
«Also»,
sagt Georg. «Heute! Wo ist das Geld?»
Döbbeling
ist beleidigt. Wir haben Schnaps und Zigarren angenommen, und nun revoltieren
wir. Das ist gegen die Ordnung. «Nächste Woche», sagte er. «Noch ’nen Schnaps
zum Abschied?»
«Warum
nicht?»
Döbbeling
und der Schreiber werden lebendig. Sie glauben gesiegt zu haben. Ich blicke aus
dem Fenster. Draußen liegt, wie ein gerahmtes Bild, die Landschaft des späten
Nachmittags – das Hoftor, eine Eiche, und dahinter dehnen sich, unendlich
friedlich, Felder in hellem Chromgelb und lichtem Grün. Was zanken wir uns hier
herum? denke ich. Ist das dort nicht das Leben, golden und grün und still im
steigenden und fallenden Atem der Jahreszeiten? Was haben wir daraus gemacht?
«Es
würde mir leid tun», höre ich Georg sagen. «Aber wir müssen darauf bestehen.
Sie wissen, daß nächste Woche das Geld viel weniger wert ist. Wir haben ohnehin
schon an dem Auftrag verloren. Er hat drei Wochen länger gedauert, als wir
erwartet haben.»
Der
Vorsteher sieht ihn listig an. «Nun, da macht eine Woche mehr doch nichts aus.»
Der
kleine Schreiber meckert plötzlich. «Was wollen Sie denn machen, wenn Sie das
Geld nicht bekommen? Sie können das Denkmal doch nicht wieder mitnehmen!»
«Warum
nicht?» erwidere ich. «Wir sind vier Leute, und einer von uns ist der
Bildhauer. Wir können mit Leichtigkeit die Adler mitnehmen und sogar den Löwen,
wenn es sein muß. Unsere Arbeiter können in zwei Stunden hier sein.»
Der
Schreiber lächelt. «Glauben Sie, daß Sie damit durchkämen, ein Denkmal, das
eingeweiht ist, wieder abzumontieren? Wüstringen hat einige tausend Einwohner.»
«Und
Major Wolkenstein und den Kriegerverein», fügt der Vorsteher hinzu.
«Begeisterte Patrioten.»
«Sollten
Sie es versuchen, würde es außerdem schwer für Sie sein, hier jemals wieder
einen Grabstein zu verkaufen.»
Der
Schreiber grinst jetzt
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