E.M. Remarque
Sie wollten ihn wohl nicht richtig totschlagen.
Aber es ist dann eben passiert. Beste hat die Fahne festhalten wollen, und dann
haben sie ihn damit die Treppe heruntergestoßen. Vielleicht haben sie ihm auch
ein paar zu harte Schläge auf den Rücken versetzt. Im Suff kennt man ja oft
seine eigene Kraft nicht. Totschlagen wollten sie ihn sicher nicht.»
«Sie
wollten ihm nur einen Denkzettel geben?»
«Ja,
genau das.»
«So
hat Wolkenstein es ihnen gesagt, was?»
Der
Arbeiter nickt und stutzt dann. «Woher wissen Sie das?»
«Ich
kann es mir denken. Es war doch so, oder nicht?»
Der
Arbeiter schweigt. «Wenn Sie es wissen, dann wissen Sie es ja», sagt er
schließlich.
«Es
sollte genau festgestellt werden. Totschlag ist eine Sache für den
Staatsanwalt. Und Anstiftung dazu auch.»
Der
Arbeiter zuckt zurück. «Damit habe ich nichts zu tun. Ich weiß von nichts.»
«Sie
wissen eine ganze Menge. Und ebenso wissen noch mehr Leute, was passiert ist.»
Der
Arbeiter trinkt sein Bier aus. «Ich habe nichts gesagt», erklärt er
entschlossen. «Und ich weiß von nichts. Was meinen Sie, was mir geschehen
würde, wenn ich das Maul nicht halte? Nein, Herr, nicht ich! Ich habe eine Frau
und ein Kind und muß leben. Glauben Sie, daß ich noch Arbeit fände, wenn ich
quatschte? Nein, Herr, suchen Sie sich einen andern dafür! Nicht mich!»
Er
verschwindet. «So wird es mit allen sein», sagt Georg finster.
Wir
warten. Draußen sehen wir Wolkenstein vorbeigehen. Er ist nicht mehr in Uniform
und trägt einen braunen Koffer. «Wohin geht er?» frage ich.
«Zum
Bahnhof. Er wohnt nicht mehr in Wüstringen. Ist nach Werdenbrück verzogen, als
Kreisvorsitzender der Kriegerverbände. Kam nur zur Einweihung hierher. Im
Koffer ist seine Uniform.»
Kurt
Bach erscheint mit seinem Mädchen. Sie haben Blumen mitgebracht. Das Mädchen
ist untröstlich, als es hört, was vorgefallen ist. «Dann wird sicher der Ball
abgesagt.»
«Ich
glaube nicht», sage ich.
«Doch,
sicher. Wenn ein Toter über der Erde steht. So ein Unglück!»
Georg
steht auf. «Komm», sagt er zu mir. «Es hilft nichts. Wir müssen noch einmal zu
Döbbeling.»
Das
Dorf ist plötzlich still. Die Sonne steht schräg hinter dem Kriegerdenkmal. Der
marmorne Löwe Kurt Bachs leuchtet. Döbbeling ist jetzt nichts mehr als
Amtsperson.
«Sie
wollen doch nicht im Angesicht des Todes wieder von Geld reden?» erklärt er
sofort.
«Doch»,
sagt Georg. «Das ist unser Beruf. Wir sind immer im Angesicht des Todes.»
«Sie
müssen sich gedulden. Ich habe jetzt keine Zeit. Sie wissen ja, was passiert
ist.»
«Das
wissen wir. Wir haben auch inzwischen den Rest erfahren. Sie können uns als
Zeugen buchen, Herr Döbbeling. Wir bleiben hier, bis wir das Geld bekommen,
stehen also der Kriminalpolizei gerne morgen früh zur Verfügung.»
«Zeugen?
Was für Zeugen? Sie waren ja gar nicht dabei.»
«Das
lassen Sie unsere Sache sein. Sie müssen doch daran interessiert sein, alles
festzustellen, was mit dem Totschlag an dem Tischler zu tun hat. An dem
Totschlag und der Anstiftung dazu.»
Döbbeling
starrt Georg lange an. Dann sagt er langsam:
«Soll
das eine Erpressung sein?»
Georg
steht auf. «Wollen Sie mir einmal genau erklären, was Sie damit meinen?»
Döbbeling
erwidert nichts. Er sieht Georg weiter an. Georg hält den Blick aus. Dann geht
Döbbeling zu einem Geldschrank, öffnet ihn und legt einige Packen Geldscheine
auf den Tisch. «Zählen Sie nach und quittieren Sie.»
Das
Geld liegt zwischen den leeren Schnapsgläsern und den Kaffeetassen auf dem
rotkarierten Tischtuch. Georg zählt es nach und schreibt die Quittung. Ich
blicke zum Fenster hinaus. Die gelben und grünen Felder schimmern immer noch;
aber sie sind nicht mehr die Harmonie des Daseins; sie sind weniger und mehr.
Döbbeling
nimmt die Quittung Georgs entgegen. «Sie sind sich wohl
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