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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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im­mer so ro­man­tisch nach
Wald. Al­les ging gut. Wir hat­ten mäch­ti­gen Spaß, bis sie wie­der her­aus­woll­te.
Da war ir­gend­wo noch et­was von dem ver­damm­ten Leim an ei­ner Stel­le auf dem
Bo­den nicht ganz tro­cken ge­we­sen, die Ho­bel­spä­ne hat­ten sich ver­scho­ben, und
die Haa­re der Da­me wa­ren in den Leim ge­ra­ten und fest­ge­klebt. Sie ruck­te ein
paar­mal, und dann ging das Schrei­en los. Sie glaub­te, es wä­ren To­te, die sie
bei den Haa­ren fest­hiel­ten. Sie schrie und schrie, und Leu­te ka­men, mein
Meis­ter auch, sie wur­de frei­ge­macht, und ich flog aus mei­ner Stel­lung her­aus.
Scha­de – es hät­te ei­ne schö­ne Be­zie­hung wer­den kön­nen; das Le­ben ist nicht
leicht für un­ser­eins.»
    Wil­ke
wirft mir einen wil­den Blick zu, grinst kurz und scharrt ge­nuß­voll in sei­nem
Kist­chen, oh­ne es mir an­zu­bie­ten. «Ich ken­ne zwei Fäl­le von
Sprot­ten­ver­gif­tung», sa­ge ich. «Das ist ein grau­en­haf­ter, lang­wie­ri­ger Tod.»
    Wil­ke
winkt ab. «Die­se hier sind frisch ge­räu­chert. Und sehr zart. Ei­ne De­li­ka­tes­se.
Ich tei­le sie mit Ih­nen, wenn Sie mir ein net­tes, un­vor­ein­ge­nom­me­nes Mäd­chen
ver­schaf­fen – so wie die mit dem Swea­ter, die Sie jetzt öf­ter ab­ho­len kommt.»
    Ich
star­re den Sarg­tisch­ler an. Er meint zwei­fel­los Ger­da. Ger­da, auf die ich
ge­ra­de war­te. «Ich bin kein Mäd­chen­händ­ler», sa­ge ich scharf. «Aber ich will
Ih­nen einen Rat ge­ben. Füh­ren Sie Ih­re Da­men an­ders­wo­hin und nicht ge­ra­de in
Ih­re Werk­statt.»
    «Wo­hin
denn?» Wil­ke sto­chert nach Grä­ten in sei­nen Zäh­nen. «Da liegt ja der Ha­ken! In
ein Ho­tel? Zu teu­er. Da­zu die Angst vor Po­li­zei-Raz­zi­en. In die städ­ti­schen
An­la­gen? Wie­der die Po­li­zei! Hier in den Hof? Da ist mei­ne Werk­statt doch noch
bes­ser.»
    «Ha­ben
Sie kei­ne Woh­nung?»
    «Mein
Zim­mer ist nicht sturm­frei. Mei­ne Ver­mie­te­rin ist ein Dra­che. Vor Jah­ren ha­be
ich mal was mit ihr ge­habt. In äu­ßers­ter Not, ver­ste­hen Sie? Nur kurz – aber
der Sa­tan ist heu­te, zehn Jah­re spä­ter, noch ei­fer­süch­tig. Mir bleibt nur die
Werk­statt. Al­so, wie ist es mit ei­nem Freund­schafts­dienst? Stel­len Sie mich der
Da­me im Swea­ter vor!»
    Ich
zei­ge stumm auf das leer­ge­fres­se­ne Sprot­ten­kist­chen. Wil­ke wirft es in den Hof
und geht zum Was­ser­hahn, um sich die Pfo­ten zu wa­schen. «Ich ha­be oben noch
ei­ne Fla­sche erst­klas­si­gen Port­wein-Ver­schnitt.»
    «Be­hal­ten
Sie das Ge­söff für Ih­re nächs­te Ba­ja­de­re.»
    «Bis
da­hin wird Tin­te dar­aus. Aber es gibt noch mehr Sprot­ten in der Welt als die­ses
ei­ne Kist­chen.»
    Ich
zei­ge auf mei­ne Stirn und ge­he ins Bü­ro, um mir einen Zei­chen­block und einen
Klapp­ses­sel zu ho­len und für Frau Nie­buhr ein Mau­so­le­um zu ent­wer­fen. Ich set­ze
mich ne­ben den Obe­lis­ken – so kann ich gleich­zei­tig das Te­le­fon hö­ren und die
Stra­ße und den Hof über­bli­cken. Die Zeich­nung des Denk­mals wer­de ich mit der
In­schrift schmücken: Hier ruht nach lan­gem, schwe­rem Lei­den der Ma­jor a. D.
Wol­ken­stein, ge­stor­ben im Mai 1923.
    Ei­nes
der Knopf­mäd­chen kommt und be­staunt mei­ne Ar­beit. Es ist ei­ner der Zwil­lin­ge,
die kaum zu un­ter­schei­den sind. Die Mut­ter kann es, am Ge­ruch, Knopf ist es
egal, und von uns an­de­ren kann es kei­ner ge­nau. Ich ver­sin­ke in Ge­dan­ken
dar­über, wie es sein müß­te, wenn man einen Zwil­ling hei­ra­te­te und der zwei­te
wohn­te im sel­ben Hau­se.
    Ger­da
un­ter­bricht mich. Sie steht im Ho­fein­gang und lacht. Ich le­ge mei­ne Zeich­nung
bei­sei­te. Der Zwil­ling ver­schwin­det. Wil­ke hört auf, sich zu wa­schen. Er zeigt
hin­ter Ger­das Rücken auf das lee­re Sprot­ten­kist­chen, das die Kat­ze durch den
Hof schiebt, dann auf sich und hebt zwei Fin­ger. Da­zu flüs­tert er laut­los:
«Zwei.»
    Ger­da
trägt heu­te einen grau­en Swea­ter, einen grau­en Rock und ei­ne schwar­ze
Bas­ken­müt­ze. Sie sieht nicht mehr aus wie ein Pa­pa­gei; sie ist hübsch und
sport­lich und gu­ter Lau­ne. Ich bli­cke sie mit neu­en Au­gen an. Ei­ne Frau, die
ein an­de­rer be­gehrt, auch wenn es nur ein

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