E.M. Remarque
plötzlichen Mißtrauen erfaßt wird. Der Schatten Renée de
la Tours gleitet ohne Zweifel vorüber, wie eine Wolke über den Mond. «Seriöse
Künstlerin, nehme ich an», sagt er.
«Seriöser
als du», erwidere ich. «Fräulein Schneider ist auch keine Sängerin, wie du
gerade geglaubt hast. Sie kann Löwen durch Reifen jagen und auf Tigern reiten.
Und nun vergiß den Polizisten, der in dir, als echtem Sohn unseres geliebten
Vaterlandes, steckt, und tisch auf!»
«So,
Löwen und Tiger!» Eduards Augen haben sich geweitet. «Ist das wahr?» fragt er
Gerda. «Dieser Mensch dort lügt so oft.»
Ich
trete ihr unter dem Tisch auf den Fuß. «Ich war im Zirkus», erwidert Gerda, die
nicht versteht, was dabei so interessant ist. «Und ich gehe wieder zum Zirkus
zurück.»
«Was
gibt es zu essen, Eduard?» frage ich ungeduldig. «Oder müssen wir erst einen
ganzen Lebenslauf in vier Ausfertigungen einreichen?»
«Ich
werde einmal persönlich nachsehen», sagt Eduard galant zu Gerda. «Für solche
Gäste! Der Zauber der Manege! Ah! Verzeihen Sie Herrn Bodmer sein erratisches
Benehmen. Er ist unter Torfbauern im Kriege aufgewachsen und hat seine
Erziehung einem hysterischen Briefträger zu verdanken.»
Er
watschelt davon. «Ein stattlicher Mann», erklärt Gerda. «Ist er verheiratet?»
«Er
war es. Seine Frau ist ihm davongelaufen, weil er so geizig ist.»
Gerda
befühlt den Damast des Tischtuches. «Sie muß eine dumme Person gewesen sein»,
sagt sie träumerisch. «Ich habe sparsame Leute gern. Sie halten ihr Geld
zusammen.»
«Das
ist in der Inflation das Dümmste, was es gibt.»
«Man
muß es natürlich gut anlegen.» Gerda betrachtet die schwer versilberten Messer
und Gabeln. «Ich glaube, dein Freund hier macht das schon richtig – auch wenn
er ein Poet ist.»
Ich
sehe sie leicht überrascht an. «Das mag sein», sage ich. «Aber andere haben
nichts davon. Am wenigsten seine Frau. Die ließ er von morgens bis nachts
schuften. Verheiratet sein heißt bei Eduard: umsonst für ihn arbeiten.»
Gerda
lächelt ungewiß wie die Mona Lisa. «Jeder Geldschrank hat seine Nummer, weißt
du das noch nicht, Baby?»
Ich
starre sie an. Was ist hier los? denke ich. Ist das noch dieselbe Person, mit
der ich gestern im Gartenrestaurant «Zur schönen Aussicht» für bescheidene
fünftausend Mark Butterbrote mit dicker Milch gegessen und über den Zauber des
einfachen Lebens gesprochen habe? «Eduard ist fett, schmutzig und unheilbar
geizig», erkläre ich fest. «Und ich weiß das seit vielen Jahren.»
Der
Frauenkenner Riesenfeld hat mir einmal gesagt, diese Kombination schrecke jede
Frau ab. Aber Gerda scheint keine gewöhnliche Frau zu sein. Sie mustert die
großen Kronleuchter, die wie durchsichtige Stalaktiten von der Decke hängen,
und bleibt beim Thema. «Wahrscheinlich braucht er jemand, der auf ihn achtgibt.
Nicht wie eine Henne natürlich! Er scheint jemand zu brauchen, der seine guten
Eigenschaften würdigt.»
Ich
bin jetzt offen alarmiert. Geht mein friedliches Zweiwochenglück bereits auf
Wanderschaft? Wozu mußte ich es auch an die Stätte des Silbers und Kristalls
schleppen!
«Eduard
hat keine guten Eigenschaften», sage ich.
Gerda
lächelt wieder. «Jeder Mann hat welche. Man muß sie ihm nur klarmachen.»
In
diesem Augenblick erscheint zum Glück der Kellner Freidank und trägt pompös auf
einer silbernen Platte eine Pastete heran. «Was ist denn das?» frage ich.
«Leberpastete»,
erklärt Freidank hochmütig.
«Auf
dem Menü steht aber doch Kartoffelsuppe!»
«Dies
ist das Menü, das Herr Knobloch selbst bestimmt haben», sagt Freidank, der
ehemalige Fouriergefreite, und teilt zwei Stücke ab – ein dickes für Gerda, ein
dünnes für mich. «Oder wollen Sie lieber die
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