Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
plötz­li­chen Miß­trau­en er­faßt wird. Der Schat­ten Renée de
la Tours glei­tet oh­ne Zwei­fel vor­über, wie ei­ne Wol­ke über den Mond. «Se­ri­öse
Künst­le­rin, neh­me ich an», sagt er.
    «Se­ri­öser
als du», er­wi­de­re ich. «Fräu­lein Schnei­der ist auch kei­ne Sän­ge­rin, wie du
ge­ra­de ge­glaubt hast. Sie kann Lö­wen durch Rei­fen ja­gen und auf Ti­gern rei­ten.
Und nun ver­giß den Po­li­zis­ten, der in dir, als ech­tem Sohn un­se­res ge­lieb­ten
Va­ter­lan­des, steckt, und tisch auf!»
    «So,
Lö­wen und Ti­ger!» Eduards Au­gen ha­ben sich ge­wei­tet. «Ist das wahr?» fragt er
Ger­da. «Die­ser Mensch dort lügt so oft.»
    Ich
tre­te ihr un­ter dem Tisch auf den Fuß. «Ich war im Zir­kus», er­wi­dert Ger­da, die
nicht ver­steht, was da­bei so in­ter­essant ist. «Und ich ge­he wie­der zum Zir­kus
zu­rück.»
    «Was
gibt es zu es­sen, Eduard?» fra­ge ich un­ge­dul­dig. «Oder müs­sen wir erst einen
gan­zen Le­bens­lauf in vier Aus­fer­ti­gun­gen ein­rei­chen?»
    «Ich
wer­de ein­mal per­sön­lich nach­se­hen», sagt Eduard ga­lant zu Ger­da. «Für sol­che
Gäs­te! Der Zau­ber der Ma­ne­ge! Ah! Ver­zei­hen Sie Herrn Bod­mer sein er­ra­ti­sches
Be­neh­men. Er ist un­ter Torf­bau­ern im Krie­ge auf­ge­wach­sen und hat sei­ne
Er­zie­hung ei­nem hys­te­ri­schen Brief­trä­ger zu ver­dan­ken.»
    Er
wat­schelt da­von. «Ein statt­li­cher Mann», er­klärt Ger­da. «Ist er ver­hei­ra­tet?»
    «Er
war es. Sei­ne Frau ist ihm da­von­ge­lau­fen, weil er so gei­zig ist.»
    Ger­da
be­fühlt den Da­mast des Tisch­tu­ches. «Sie muß ei­ne dum­me Per­son ge­we­sen sein»,
sagt sie träu­me­risch. «Ich ha­be spar­sa­me Leu­te gern. Sie hal­ten ihr Geld
zu­sam­men.»
    «Das
ist in der In­fla­ti­on das Dümms­te, was es gibt.»
    «Man
muß es na­tür­lich gut an­le­gen.» Ger­da be­trach­tet die schwer ver­sil­ber­ten Mes­ser
und Ga­beln. «Ich glau­be, dein Freund hier macht das schon rich­tig – auch wenn
er ein Poet ist.»
    Ich
se­he sie leicht über­rascht an. «Das mag sein», sa­ge ich. «Aber an­de­re ha­ben
nichts da­von. Am we­nigs­ten sei­ne Frau. Die ließ er von mor­gens bis nachts
schuf­ten. Ver­hei­ra­tet sein heißt bei Eduard: um­sonst für ihn ar­bei­ten.»
    Ger­da
lä­chelt un­ge­wiß wie die Mo­na Li­sa. «Je­der Geld­schrank hat sei­ne Num­mer, weißt
du das noch nicht, Ba­by?»
    Ich
star­re sie an. Was ist hier los? den­ke ich. Ist das noch die­sel­be Per­son, mit
der ich ges­tern im Gar­ten­re­stau­rant «Zur schö­nen Aus­sicht» für be­schei­de­ne
fünf­tau­send Mark But­ter­bro­te mit di­cker Milch ge­ges­sen und über den Zau­ber des
ein­fa­chen Le­bens ge­spro­chen ha­be? «Eduard ist fett, schmut­zig und un­heil­bar
gei­zig», er­klä­re ich fest. «Und ich weiß das seit vie­len Jah­ren.»
    Der
Frau­en­ken­ner Rie­sen­feld hat mir ein­mal ge­sagt, die­se Kom­bi­na­ti­on schre­cke je­de
Frau ab. Aber Ger­da scheint kei­ne ge­wöhn­li­che Frau zu sein. Sie mus­tert die
großen Kron­leuch­ter, die wie durch­sich­ti­ge Sta­lak­ti­ten von der De­cke hän­gen,
und bleibt beim The­ma. «Wahr­schein­lich braucht er je­mand, der auf ihn acht­gibt.
Nicht wie ei­ne Hen­ne na­tür­lich! Er scheint je­mand zu brau­chen, der sei­ne gu­ten
Ei­gen­schaf­ten wür­digt.»
    Ich
bin jetzt of­fen alar­miert. Geht mein fried­li­ches Zwei­wo­chen­glück be­reits auf
Wan­der­schaft? Wo­zu muß­te ich es auch an die Stät­te des Sil­bers und Kris­talls
schlep­pen!
    «Eduard
hat kei­ne gu­ten Ei­gen­schaf­ten», sa­ge ich.
    Ger­da
lä­chelt wie­der. «Je­der Mann hat wel­che. Man muß sie ihm nur klar­ma­chen.»
    In
die­sem Au­gen­blick er­scheint zum Glück der Kell­ner Frei­dank und trägt pom­pös auf
ei­ner sil­ber­nen Plat­te ei­ne Pas­te­te her­an. «Was ist denn das?» fra­ge ich.
    «Le­ber­pas­te­te»,
er­klärt Frei­dank hoch­mü­tig.
    «Auf
dem Me­nü steht aber doch Kar­tof­fel­sup­pe!»
    «Dies
ist das Me­nü, das Herr Kno­b­loch selbst be­stimmt ha­ben», sagt Frei­dank, der
ehe­ma­li­ge Fou­rier­ge­frei­te, und teilt zwei Stücke ab – ein dickes für Ger­da, ein
dün­nes für mich. «Oder wol­len Sie lie­ber die

Weitere Kostenlose Bücher