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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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wind­schie­fen En­gel mo­del­lie­ren; aber viel wei­ter geht
sei­ne Kunst nicht. Im­mer­hin, zur Not könn­ten wir die Bild­hau­er­ar­bei­ten an­ders­wo
be­stel­len.
    «Und
sonst?» fragt Frau Nie­buhr un­er­bitt­lich.
    Ich
über­le­ge, ob ich die­sem un­barm­her­zi­gen Teu­fel et­was von dem Grab­mal in Form
ei­nes Sar­ko­phags er­zäh­len soll, des­sen De­ckel sich et­was ver­scho­ben hat und aus
dem ei­ne ske­let­ti­ge Hand her­aus­greift – aber ich las­se es. Un­se­re Po­si­tio­nen
sind zu un­gleich; sie ist der Käu­fer und ich bin der Ver­käu­fer, sie kann mich
schi­ka­nie­ren, ich sie nicht – denn viel­leicht kauft sie doch et­was.
    «Das
wä­re al­les für den Au­gen­blick.»
    Frau
Nie­buhr war­tet noch einen Mo­ment. «Wenn Sie wei­ter nichts ha­ben, muß ich zu
Holl­mann und Klotz ge­hen.»
    Sie
sieht mich mit ih­ren Kä­ferau­gen an. Den Trau­er­schlei­er hat sie über den
schwar­zen Hut em­por­ge­schla­gen. Sie er­war­tet, daß ich jetzt ein wil­des Thea­ter ma­che.
Ich tue es nicht. «Sie wer­den uns da­mit ein Ver­gnü­gen ma­chen», er­klä­re ich
statt des­sen kalt. «Es ist un­ser Prin­zip, die Kon­kur­renz her­an­zu­zie­hen, da­mit
man sieht, wie leis­tungs­fä­hig un­se­re Fir­ma ist. Bei Auf­trä­gen mit so viel
Bild­hau­er­ar­beit kommt es na­tür­lich sehr auf den Künst­ler an, sonst hat man
plötz­lich, wie kürz­lich bei der Ar­beit ei­nes un­se­rer Kon­kur­ren­ten, des­sen Na­men
ich ver­schwei­gen möch­te, einen En­gel mit zwei lin­ken Fü­ßen. Auch schie­len­de
Müt­ter Got­tes sind schon da­ge­we­sen und ein Chris­tus mit elf Fin­gern. Als man es
merk­te, war es dann zu spät.»
    Frau
Nie­buhr läßt den Schlei­er her­un­ter wie einen Thea­ter­vor­hang. «Ich wer­de schon
auf­pas­sen!»
    Ich
bin über­zeugt, daß sie das tun wird. Sie ist ein gie­ri­ger Ge­nie­ßer ih­rer Trau­er
und schlürft sie in vol­len Zü­gen. Es wird noch lan­ge dau­ern, bis sie et­was
be­stellt; denn so­lan­ge sie sich nicht ent­schei­det, kann sie al­le
Grab­stein­ge­schäf­te drang­sa­lie­ren – nach­her aber nur noch das ei­ne, bei dem sie
be­stellt hat. Sie ist jetzt ge­wis­ser­ma­ßen noch ein flot­ter Jung­ge­sel­le der
Trau­er – spä­ter ist sie wie ein ver­hei­ra­te­ter Mann, der treu sein muß.
    Der Sarg­tisch­ler Wil­ke
kommt aus sei­ner Werk­statt. In sei­nem Schnurr­bart hän­gen Ho­bel­spä­ne. Er hält
ein Kist­chen ap­pe­tit­li­cher Kie­ler Sprot­ten in der Hand und ißt sie schmat­zend.
    «Wie
den­ken Sie über das Le­ben?» fra­ge ich ihn.
    Er
hält an. «Mor­gens an­ders als abends, im Win­ter an­ders als im Som­mer, vor dem
Es­sen an­ders als nach­her, und in der Ju­gend wahr­schein­lich an­ders als im
Al­ter.»
    «Rich­tig.
End­lich ei­ne ver­nünf­ti­ge Ant­wort!»
    «Na
schön, wenn Sie es wis­sen, wes­halb fra­gen Sie denn noch?»
    «Fra­gen
bil­det. Au­ßer­dem fra­ge ich mor­gens an­ders als abends, im Win­ter an­ders als im
Som­mer, und vor dem Bei­schlaf an­ders als nach­her.»
    «Nach
dem Bei­schlaf», sagt Wil­ke. «Rich­tig, da ist im­mer al­les an­ders! Das hat­te ich
ganz ver­ges­sen.»
    Ich
ver­beu­ge mich vor ihm wie vor ei­nem Abt. «Gra­tu­lie­re zur As­ke­se! Sie ha­ben den
Sta­chel des Flei­sches al­so schon über­wun­den! Wer auch so­weit wä­re!»
    «Un­sinn!
Ich bin nicht im­po­tent. Aber die Wei­ber sind ko­misch, wenn man Sarg­tisch­ler
ist. Grau­en sich. Wol­len nicht in die Werk­statt rein, wenn ein Sarg drin­steht.
Nicht ein­mal, wenn man Ber­li­ner Pfann­ku­chen und Port­wein auf­tischt.»
    «Wo
auf­tischt?» fra­ge ich. «Auf dem un­fer­ti­gen Sarg? Auf dem po­lier­ten doch si­cher
nicht; Port­wein macht Rin­ge.»
    «Auf
der Fens­ter­bank. Auf dem Sarg kann man sit­zen. Da­bei ist es doch noch gar kein
Sarg. Ein Sarg wird es erst, wenn ein To­ter drin liegt. Bis da­hin ist es nur
ein Stück Tisch­ler­ar­beit.»
    «Stimmt.
Aber es ist schwer, das im­mer aus­ein­an­der­zu­hal­ten!»
    «Es
kommt dar­auf an. Ein­mal, in Ham­burg, hat­te ich ei­ne Da­me, der war es egal. Es
mach­te ihr so­gar Spaß. Sie war scharf drauf. Ich füll­te den Sarg halb­voll mit
wei­chen wei­ßen Ho­bel­spä­nen aus Tan­ne, die rie­chen

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