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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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lie­bes­tol­ler Sarg­tisch­ler ist, wird
so­fort kost­ba­rer als vor­her. Der Mensch lebt nun ein­mal viel mehr vom re­la­ti­ven
als vom ab­so­lu­ten Wert.
    «Warst
du heu­te in der Ro­ten Müh­le?» fra­ge ich.
    Ger­da
nickt. «Ei­ne Stink­bu­de! Ich ha­be da ge­probt. Wie ich die­se Lo­ka­le mit dem
kal­ten Ta­bak­qualm has­se!»
    Ich
se­he sie bei­fäl­lig an. Wil­ke hin­ter ihr knöpft sein Hemd zu, streicht sich die
Ho­bel­spä­ne aus dem Schnurr­bart und fügt sei­nem An­ge­bot drei Fin­ger hin­zu. Fünf
Kist­chen Sprot­ten! Ein schö­nes An­ge­bot, aber ich be­ach­te es nicht. Vor mir
steht das Glück ei­ner Wo­che, klar, fest, ein Glück, das nicht schmerzt – das
ein­fa­che Glück der Sin­ne und der ge­mä­ßig­ten Phan­ta­sie, das kur­ze Glück ei­nes
Nacht­klub-En­ga­ge­ments von vier­zehn Ta­gen, ein Glück, das schon halb vor­über
ist, das mich von Er­na er­löst hat und das selbst Isa­bel­le zu dem ge­macht hat,
was sie sein soll­te: ei­ne Fa­ta Mor­ga­na, die nicht schmerzt und die kei­ne Wün­sche
weckt, die un­er­füll­bar sind.
    «Komm,
Ger­da», sa­ge ich voll plötz­lich auf­schie­ßen­der sach­li­cher Dank­bar­keit. «Laß uns
heu­te erst­klas­sig es­sen ge­hen! Bist du hung­rig?»
    «Ja,
sehr. Wir kön­nen ir­gend­wo ...»
    «Nichts
von Kar­tof­fel­sa­lat heu­te und nichts von Würst­chen! Wir wer­den her­vor­ra­gend
es­sen und ein Ju­bi­lä­um fei­ern: die Mit­te un­se­res ge­mein­sa­men Le­bens. Vor ei­ner
Wo­che warst du zum ers­ten­mal hier; in ei­ner Wo­che wirst du mir vom Bahn­hof aus
Le­be­wohl zu­win­ken. Laß uns das ers­te fei­ern und an das zwei­te nicht den­ken!»
    Ger­da
lacht. «Ich ha­be auch gar kei­nen Kar­tof­fel­sa­lat ma­chen kön­nen. Zu­viel Ar­beit.
Zir­kus ist was an­de­res als blö­des Ka­ba­rett.»
    «Gut,
dann ge­hen wir heu­te ins ,Wal­hal­la‘. Ißt du gern Gu­lasch?»
    «Ich
es­se gern», er­wi­dert Ger­da.
    «Das
ist es! Laß uns da­bei blei­ben! Und nun auf zum Fest der großen Mit­te un­se­res
kur­z­en Le­bens!»
    Ich
wer­fe den Zei­chen­block durch das of­fe­ne Fens­ter auf den Schreib­tisch. Im
Weg­ge­hen se­he ich noch Wil­kes maß­los ent­täusch­te Vi­sa­ge. Mit trost­lo­sem
Aus­druck hält er bei­de Hän­de hoch – zehn Kist­chen Sprot­ten – ein Ver­mö­gen!
    «Warum nicht?» sagt
Eduard Kno­b­loch ku­lant zu mei­nem Er­stau­nen. Ich hat­te er­bit­ter­ten Wi­der­stand
er­war­tet. Die Eß­mar­ken gel­ten nur für mit­tags, aber nach ei­nem Blick auf Ger­da
ist Eduard nicht nur be­reit, sie auch für heu­te abend zu ak­zep­tie­ren, er bleibt
so­gar am Tisch ste­hen: «Wür­dest du mich bit­te vor­stel­len?»
    Ich
bin in ei­ner Zwangs­la­ge. Er hat die Eß­mar­ken ak­zep­tiert – al­so muß ich ihn
ak­zep­tie­ren. «Eduard Kno­b­loch, Ho­te­lier, Re­stau­ra­teur, Poet, Bil­lio­när und
Geiz­hals», er­klä­re ich nach­läs­sig. «Fräu­lein Ger­da Schnei­der.»
    Eduard
ver­neigt sich, halb ge­schmei­chelt, halb ver­är­gert.
    «Glau­ben
Sie ihm nichts von al­lem, gnä­di­ges Fräu­lein.»
    «Auch
nicht dei­nen Na­men?» fra­ge ich.
    Ger­da
lä­chelt. «Sie sind Bil­lio­när? Wie in­ter­essant!»
    Eduard
seufzt. «Nur ein Ge­schäfts­mann mit al­len Sor­gen ei­nes Ge­schäfts­man­nes. Hö­ren
Sie nicht auf die­sen leicht­fer­ti­gen Schwät­zer da! Und Sie? Ein schö­nes,
strah­len­des Eben­bild Got­tes, sor­gen­los wie ei­ne Li­bel­le über den dunklen
Tei­chen der Schwer­mut schwe­bend ...»
    Ich
glau­be, nicht recht ge­hört zu ha­ben, und glot­ze Eduard an, als hät­te er Gold
ge­spuckt. Ger­da scheint heu­te ei­ne ma­gi­sche An­zie­hungs­kraft zu ha­ben. «Laß die
Stuckor­na­men­te, Eduard», sa­ge ich. «Die Da­me ist selbst Künst­le­rin. Bin ich der
dunkle Teich der Schwer­mut? Wo bleibt das Gu­lasch?»
    «Ich
fin­de, Herr Kno­b­loch spricht sehr poe­tisch!» Ger­da schaut Eduard mit
un­schul­di­ger Be­geis­te­rung an. «Wie fin­den Sie nur Zeit da­für? Mit so ei­nem
großen Haus und so vie­len Kell­nern! Sie müs­sen ein glück­li­cher Mensch sein! So
reich und be­gabt da­zu.»
    «Es
geht, es geht!» Eduards Ge­sicht glänzt. «So, Künst­le­rin, Sie auch ...»
    Ich
se­he, wie er von ei­nem

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