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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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de­nen ihr biß­chen Schä­del
Ver­dau­ungs­be­schwer­den macht, als Dumm­heit und Welt­flucht er­scheint, Sie
harm­lo­ser Re­gen­wurm im Acker der Tri­via­li­tät.»
    «Bra­vo!»
sa­ge ich. «End­lich wer­den auch Sie poe­tisch. Al­ler­dings stark spät­ba­rock.»
    Bo­den­diek
lacht plötz­lich. «Mein lie­ber Bod­mer», er­klärt er. «In den fast zwei­tau­send
Jah­ren des Be­ste­hens der Kir­che ist schon aus man­chem Sau­lus ein Pau­lus
ge­wor­den. Und wir ha­ben in die­ser Zeit grö­ße­re Zwer­ge ge­se­hen und über­stan­den
als Sie. Krab­beln Sie nur mun­ter wei­ter. Am En­de je­des Weges steht Gott und
war­tet auf Sie.»
    Er
ver­schwin­det mit sei­nem Re­gen­schirm in der Sa­kris­tei, ein wohl­ge­nähr­ter Mann im
schwar­zen Geh­rock. In ei­ner hal­b­en Stun­de wird er, phan­tas­ti­scher ge­klei­det als
ein Hu­sa­ren­ge­ne­ral, wie­der her­austre­ten und ein Ver­tre­ter Got­tes sein. Es sind
die Uni­for­men, sag­te Va­len­tin Busch nach der zwei­ten Fla­sche Jo­han­nis­ber­ger,
wäh­rend Eduard Kno­b­loch in Me­lan­cho­lie und Mord­ge­dan­ken ver­sank, nur die
Uni­for­men. Nimm ih­nen die Ko­stü­me weg, und es gibt kei­nen Men­schen mehr, der
Sol­dat sein will.
    Ich
ge­he
nach der An­dacht mit Isa­bel­le in der Al­lee spa­zie­ren. Es reg­net hier
un­re­gel­mä­ßi­ger – als hock­ten Schat­ten in den Bäu­men, die sich mit Was­ser
be­spren­gen. Isa­bel­le trägt einen hoch­ge­schlos­se­nen dunklen Re­gen­man­tel und ei­ne
klei­ne Kap­pe, die das Haar ver­deckt. Nichts ist von ihr zu se­hen als das
Ge­sicht, das durch das Dun­kel schim­mert wie ein schma­ler Mond. Das Wet­ter ist
kalt und win­dig, und nie­mand au­ßer uns ist mehr im Gar­ten. Ich ha­be Bo­den­diek
und den schwar­zen Är­ger, der manch­mal grund­los wie ei­ne schmut­zi­ge Fon­tä­ne aus
mir her­vor­schießt, längst ver­ges­sen. Isa­bel­le geht dicht ne­ben mir, ich hö­re
ih­re Schrit­te durch den Re­gen und spü­re ih­re Be­we­gun­gen und ih­re Wär­me, und es
scheint die ein­zi­ge Wär­me zu sein, die in der Welt üb­rig­ge­blie­ben ist.
    Sie
bleibt plötz­lich ste­hen. Ihr Ge­sicht ist blaß und ent­schlos­sen, und ih­re Au­gen
schei­nen fast schwarz zu sein.
    «Du
liebst mich nicht ge­nug», stößt sie her­vor.
    Ich
se­he sie über­rascht an. «Es ist, so­viel ich kann», sa­ge ich.
    Sie
steht ei­ne Wei­le schwei­gend. «Nicht ge­nug», mur­melt sie dann. «Nie ge­nug! Es
ist nie ge­nug!»
    «Ja»,
sa­ge ich. «Wahr­schein­lich ist es nie ge­nug. Nie im Le­ben, nie, mit nie­man­dem.
Wahr­schein­lich ist es im­mer zu we­nig, und das ist das Elend der Welt.»
    «Es
ist nicht ge­nug», wie­der­holt Isa­bel­le, als hät­te sie mich nicht ge­hört. «Sonst
wä­ren wir nicht noch zwei.»
    «Du
meinst, sonst wä­ren wir eins?»
    Sie
nickt.
    Ich
den­ke an das Ge­spräch mit Ge­org, wäh­rend wir den Glüh­wein tran­ken. «Wir wer­den
im­mer zwei blei­ben müs­sen, Isa­bel­le», sa­ge ich vor­sich­tig. «Aber wir kön­nen uns
lie­ben und glau­ben, wir wä­ren nicht mehr zwei.»
    «Glaubst
du, wir sind schon ein­mal eins ge­we­sen?»
    «Das
weiß ich nicht. Nie­mand könn­te so et­was wis­sen. Man wür­de kei­ne Er­in­ne­rung
ha­ben.»
    Sie
sieht mich starr aus dem Dun­kel an. «Das ist es, Ru­dolf», flüs­tert sie. «Man
hat kei­ne. An nichts. Warum nicht? Man sucht und sucht. Warum ist al­les fort?
Es ist doch so viel da­ge­we­sen! Nur das weiß man noch! Aber nichts an­de­res mehr.
Warum weiß man es nicht mehr? Du und ich, war das nicht ein­mal schon? Sag es!
Sag es doch! Wo ist es jetzt, Ru­dolf?»
    Der
Wind wirft einen Schwall Was­ser klat­schend über uns weg. Vie­les ist so, als
wä­re es schon ein­mal ge­we­sen, den­ke ich. Es kommt oft ganz na­he wie­der her­an
und steht vor ei­nem, und man weiß, es war schon ein­mal da, ge­nau­so, man weiß
so­gar einen Au­gen­blick fast noch, wie es wei­ter­ge­hen muß, aber dann
ent­schwin­det es, wenn man es fas­sen will, wie Rauch oder ei­ne to­te Er­in­ne­rung.
    «Wir
könn­ten uns nie er­in­nern, Isa­bel­le», sa­ge ich. «Es wä­re so wie mit dem Re­gen.
Er ist auch et­was, das eins ge­wor­den ist, aus zwei Ga­sen, Sau­er­stoff und
Was­ser­stoff, die nun nicht mehr

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