E.M. Remarque
Antwort», erwidert Wernicke. «Aber sie ist ruhig, wenn sie
mit Ihnen zusammen war. Es ist gut für sie. Genügt das?»
«Sie
hält mich für jemand anders.»
«Das
macht nichts. Mir kommt es nicht auf Sie an – nur auf meine Kranken.» Wernicke
blinzelt durch die Sprühnässe. «Bodendiek hat Sie heute abend gelobt.»
«Was?
– Dazu hatte er wahrhaftig keinen Grund!»
«Er
behauptet, Sie seien auf dem Weg zurück. Zum Beichtstuhl und zur Kommunion.»
«So
etwas!» erkläre ich, ehrlich entrüstet.
«Verkennen
Sie die Weisheit der Kirche nicht! Sie ist die einzige Diktatur, die seit
zweitausend Jahren nicht gestürzt worden ist.»
Ich
gehe
zur Stadt hinunter. Nebel weht seine grauen Fahnen durch den Regen. Isabelle
geistert durch meine Gedanken. Ich habe sie im Stich gelassen; das ist es, was
sie jetzt glaubt, ich weiß es. Ich sollte überhaupt nicht mehr hinaufgehen,
denke ich. Es verwirrt mich nur, und ich bin ohnehin verwirrt genug. Aber was
wäre, wenn sie nicht mehr da wäre? Würde es nicht so sein, als fehle mir das
Wichtigste, das, was nie alt und verbraucht und alltäglich werden kann, weil
man es nie besitzt?
Ich
komme zum Hause des Schuhmachermeisters Karl Brill. Aus der Schuhbesohlanstalt
dringen die Klänge eines Grammophons. Ich bin heute abend hier zu einem
Herrenabend eingeladen. Es ist einer der berühmten Abende, an denen Frau
Beckmann ihre akrobatische Kunst zum besten gibt. Ich zögere einen Augenblick –
ich fühle mich wahrhaftig nicht danach –, aber dann trete ich ein. Gerade
deshalb.
Ein
Schwall von Tabaksrauch und Biergeruch empfängt mich. Karl Brill steht auf und
umarmt mich, leicht schwankend. Er hat einen ebenso kahlen Kopf wie Georg
Kroll, aber er trägt dafür alle seine Haare unter der Nase in einem mächtigen
Walroßschnurrbart. «Sie kommen zur rechten Zeit», erklärt er. «Die Wetten sind
gelegt. Wir brauchen nur bessere Musik als dieses dumme Grammophon! Wie wäre es
mit dem Donauwellenwalzer?»
«Gemacht!»
Das
Klavier ist bereits in die Schnellbesohlanstalt geschafft worden. Es steht vor
den Maschinen. Im vorderen Teil des Raumes sind die Schuhe und das Leder
beiseite geschoben worden, und überall, wo es geht, sind Stühle und ein paar
Sessel verteilt. Ein Faß Bier ist aufgelegt, und ein paar Flaschen Schnaps sind
schon leer. Eine zweite Batterie steht auf dem Ladentisch. Auf dem Tisch liegt
auch ein großer, mit Watte umwickelter Nagel neben einem kräftigen
Schusterhammer.
Ich
schmettere den Donauwellenwalzer herunter. Im Qualm schwanken die Bundesbrüder
von Karl Brill umher. Sie sind bereits gut geladen. Karl stellt ein Glas Bier
und einen doppelten Steinhäger Schnaps auf das Klavier.
«Klara
bereitet sich vor», sagt er. «Wir haben über drei Millionen in Wetten zusammen.
Hoffentlich ist sie in Höchstform; sonst bin ich halb bankrott.»
Er
blinzelt mir zu. «Spielen Sie etwas sehr Schmissiges, wenn es soweit ist. Das
facht sie immer mächtig an. Sie ist ja verrückt mit Musik.»
«Ich
werde den ,Einzug der Gladiatoren‘ spielen. Aber wie wäre es mit einer kleinen
Seitenwette für mich?»
Karl
blickt auf. «Lieber Herr Bodmer», sagt er verletzt.
«Sie
wollen doch nicht gegen Klara wetten! Wie können Sie dann überzeugend spielen?»
«Nicht
gegen sie. Mit ihr. Eine Seitenwette.»
«Wieviel?»
fragt Karl rasch.
«Lumpige
achtzigtausend», erwidere ich. «Es ist mein ganzes Vermögen.»
Karl
überlegt einen Augenblick. Dann dreht er sich um.
«Ist
noch jemand da, der achtzigtausend wetten will? Gegen unseren Klavierspieler?»
«Ich!»
Ein dicker Mann tritt vor, holt Geld aus einem kleinen Köfferchen und knallt es
auf den Ladentisch.
Ich
lege mein Geld daneben. «Der Gott der Diebe beschütze mich», sage ich. «Sonst
bin ich morgen aufs Mittagessen allein
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