Emerald: Hörspiel
gefangen genommen und zu diesem verrückten Fantasie-Ball geschleppt worden, und dann hatten sie sich mit der Gräfin auf der Veranda niedergelassen …
»Etwa eine halbe Stunde.«
»Also haben wir ein Weilchen. Komm.«
Er streckte die Hände aus und Kate gab ihm das Buch. Dr. Pym legte es auf den Schreibtisch hinter sich.
»Und jetzt«, sagte er, »von Anfang an.«
Wütend stampfte Kate mit dem Fuß auf. »Nein! Ich habe Ihnen alles schon zweimal erzählt. Sie erinnern sich bloß nicht daran, weil es noch nicht passiert ist!«
»Nun, das ist wohl kaum meine Schuld.«
»Aber wir haben keine Zeit. Hamish wird seinen Zwergen befehlen, uns zu töten, wenn wir …«
»Meine Liebe, was hast du bloß immer mit Hamish? Dieser Schurke wird niemals die Autorität haben, irgendjemanden töten zu lassen.«
»Aber er ist der König der Zwerge!«
Dr. Pym lachte. »Nein, nein. Das ist unmöglich, glaub mir. Ich bin mit der augenblicklichen Königin gut befreundet – Esmerelda, eine bewundernswürdige Frau. Und sie stimmt mir zu, dass Hamish ein katastrophaler König wäre. Robbie wird den Thron besteigen.«
»Aber sie starb, ohne ein Testament zu hinterlassen!« Kate schrie jetzt fast. »Und weil Hamish älter ist, wurde er König! Und er will das Buch! Er ist jetzt, in diesem Augenblick, zusammen mit Michael im Gewölbe. Nun … nein, nicht in diesem Augenblick, sondern in diesem Augenblick in der Zukunft.« Ihr war klar, dass ihre Worte kaum einen Sinn ergaben. Am liebsten hätte sie irgendetwas gepackt und an die Wand geworfen, um ihn dazu zu bringen, dass er ihr glaubte. »Und Sie können nichts tun, weil Sie immer noch im Verlies in der Zwergenstadt sitzen!«
»Oh, das ist aber gar nicht gut«, sagte Dr. Pym und blies eine Rauchwolke aus. »Überhaupt nicht gut. Aber ich fürchte, ich verstehe immer noch nicht. Wie konnte Hamish in das Gewölbe gelangen? Das ist unmöglich, ohne …« Er verstummte
und blickte Kate an. Seine Stimme wurde weich. »Du. Du hast das Gewölbe geöffnet.«
Kate nickte.
Er beugte sich vor. »Du hast einen Bruder, sagst du?«
»Und eine Schwester! Michael und Emma. Und sie stecken beide in Schwierigkeiten. Sie müssen etwas tun!« Kate fühlte die Tränen in ihren Augen.
»Oh meine Liebe«, sagte Dr. Pym leise. »Jetzt muss ich darauf bestehen, dass du mir alles erzählst. Von Anfang an.«
»Stanislaus?« Es war die Stimme einer Frau. Kate drehte sich um und lauschte den Schritten, die durch den Flur näher kamen, gemeinsam mit der Stimme. »Richard ist noch im College. Ich denke, wir sollten schon mit dem Essen anfangen, was meinst du? Und mit wem redest du überhaupt?«
Die Tür öffnete sich und eine junge Frau trat ein. Sie trug Jeans und ein graues Sweatshirt. Sie hatte dunkelblonde Haare, haselnussbraune Augen und ein freundliches Gesicht. Die Frau war von einer lässigen, beiläufigen Schönheit. In dem Augenblick, in dem Kate sie sah, geschah zweierlei: Zunächst einmal wurde ihr klar, dass sie ihrer Mutter gegenüberstand. Und dann verschwand der Boden unter ihren Füßen.
»WO IST ES?!«
Kate stand vor dem Steinsockel, gebadet in grünliches Licht. Sie keuchte und das Herz hämmerte ihr in der Brust. Ehe sie noch begreifen konnte, was geschehen war, wurde sie am Arm gepackt und herumgerissen.
»Wo ist es?!«
Ihr Gesicht wurde mit Speichel besprüht. Sie merkte es
kaum, genauso wenig wie die Tatsache, dass jemand sie heftig schüttelte. Das Buch. Das war es, was er brüllte. Das Buch war verschwunden. Na und? Sie hatte ihre Mutter gesehen.
»Ihr habt mich hereingelegt! Du und dieser Zauberer!«
… ihre Mutter. Sie hatte ihre Mutter gesehen.
»Ich bring dich um!«
Kate sah etwas in Hamishs Hand aufblitzen, aber dann hörte sie Schritte hinter sich, wurde seinem Griff entrissen und zu Boden gestoßen. Sie hörte, wie Wallace auf den König einredete und ihn davon zu überzeugen versuchte, dass Kate das Buch zurückbringen müsste. Dafür müssten sie sie womöglich zu dem Zauberer bringen. Sie wusste, dass er versuchte, ihr das Leben zu retten.
»Kate, alles in Ordnung?« Michael kniete neben ihr. »Du bist verschwunden. Dann bist du zurückgekommen. Aber das Buch war weg. Was ist passiert?«
Kate packte ihren Bruder bei der Hand. »Ich habe …«
Sie hörten einen Schlag, und dann sahen sie, wie Wallace rückwärts taumelte. Hamish atmete schwer, die eine Hand am Messer, die andere zur Faust geballt. Einen Moment lang durchbohrte der Zwergenkönig Kate
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