Emerald: Hörspiel
dann führe sie über diesen Pfad. Er wird euch ins Dorf bringen.«
»Du bist verrückt!«, keuchte der Zwerg. »Wenn das Mädchen bei der Hexe ist, ist unser Plan null und nichtig! Außerdem dauert es Stunden, bis wir Cambridge Falls erreichen.«
»Dann dürfen wir nicht trödeln. Geht einfach diesen Pfad entlang.«
Mit einem Nicken forderte Dr. Pym Gabriel und die Kinder auf, ihm zu folgen, und marschierte dann mit schnellen, langen Schritten den Berg hinab.
»Dr. Pym!« Michael und seine Schwester eilten ihm nach, wobei sie sich Mühe gaben, auf dem felsigen Pfad nicht zu stolpern. Gabriel war dicht hinter ihnen. »König Robbie hat recht. Wir brauchen Stunden bis ins Tal.«
»Ja! «, sagte Emma. »Warum machen Sie nicht auch so ein Portal-Ding?«
»Nicht nötig. Ich kenne eine Abkürzung. Bleibt jetzt dicht bei mir.«
Noch während er das sagte, bemerkten die Kinder, dass sie in eine Art Nebel oder eine Wolke hineinmarschierten, was merkwürdig war, weil der Himmel eben noch vollkommen klar gewesen war. Es dauerte nicht lange, da war der Nebel so dick, dass Dr. Pym Michael und Emma befahl, sich an den Händen zu fassen, damit niemand über den Rand der Klippe stürzte. Sie folgten dem Zauberer, die Augen fest auf seinen Rücken geheftet, und als der nicht mehr sichtbar war, leitete er sie mit seiner Stimme: »Passt auf, hier ist es ein bisschen holprig. Vorsichtig …« Dann, als wäre es nicht schon genug, dass sie rein gar nichts sehen konnten, fingen auch noch ihre anderen Sinne an, ihnen Streiche zu spielen. Sie rochen Bäume, von denen sie wussten, dass sie gar nicht da waren. Sie hörten nicht vorhandenes Wasser an ein Ufer klatschen, und sogar der felsige Hang des Berges schien sich zu ebnen und weich zu werden, als würden sie über Gras laufen. Michael nahm sich gerade vor, bei der nächstbesten Gelegenheit die unterschiedlichen Wirkungen von Nebel zu erforschen, als Dr. Pym verkündete: »Wir sind da.«
Michael stockte der Atem.
»Wie …?«, stotterte Emma.
»Ich habe euch doch gesagt«, lächelte Dr. Pym, »dass ich eine Abkürzung kenne.«
Sie waren aus dem Nebel getreten und befanden sich am Ufer des Sees in Cambridge Falls, das Gesicht dem mondbeschienenen Wasser zugewandt. Michael drehte sich um und sah Gabriel aus dem Nebel zwischen den Bäumen auftauchen.
Nachdem er zu ihnen gekommen war, fuhr Dr. Pym fort: »Meine Freunde, vor uns liegt der schwierigste Teil unserer Aufgabe. Ich muss euch nicht daran erinnern, was auf dem Spiel
steht. Katherine und die Kinder befinden sich auf dem Schiff, zusammen mit der Gräfin. Um diese Sache werde ich mich kümmern. Du, Gabriel, wirst so schnell wie möglich nach dem Damm sehen. Ich fürchte, die Gräfin hat ein Unheil damit angestellt. Tu, was du kannst.«
»Ich gehe mit Gabriel«, verkündete Emma. »Vielleicht braucht er mich.« Sie schaute zu dem großen Mann hoch. »Vielleicht brauchst du mich wirklich.«
»Also schön«, sagte Dr. Pym. »Michael, mein Junge, du bleibst bei mir. Jetzt beeilt euch und möge uns das Glück hold sein!«
Kate schloss die Augen und stellte sich das mit Büchern überladene Arbeitszimmer vor, das fröhlich prasselnde Feuer im Kamin, den Schnee auf den Häuserdächern, Dr. Pym mit seiner Pfeife in der einen und der Teetasse in der anderen Hand am Schreibtisch, ihre durch die Tür tretende Mutter, die erklärte, dass Richard noch am College sei … Jedes Detail stand ihr noch klar und deutlich im Gedächtnis.
Sie öffnete die Augen und sah die roten Satinvorhänge, die mit Samt überzogenen Lehnsessel, den goldverzierten Mahagonitisch. Aus der Musikbox in der Ecke erklang immer noch diese säuselnde, geisterhafte Melodie. Die Gaslampen an den Wänden flackerten und das Licht brach sich in einem verzierten Kristalllüster. Kate seufzte. Sie war immer noch auf dem Schiff. Immer noch in der Kajüte der Gräfin.
»Katherine, meine Geduld ist langsam erschöpft.«
Die Gräfin trug ein schwarzes Abendkleid, das ihre weiße Haut fast durchscheinend anmuten ließ, und in dem flackernden Licht kam es Kate so vor, als ob sich die Farbe ihrer Augen
in Sekundenschnelle von Violett zu Tiefblau und dann wieder zu Lavendel veränderte. Die Gräfin schenkte sich ein Glas Wein ein und betrachtete Kate mit gelangweiltem Blick.
Seit sie auf das Schiff gekommen war, war nichts mehr nach Plan gegangen. Angefangen mit Kates Forderung, die Kinder sehen zu dürfen …
»Meine Liebe, das ist ganz und gar unmöglich. Aber
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