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Emerald: Hörspiel

Titel: Emerald: Hörspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens , Alexandra Ernst
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schaute auf und sah gerade noch den silbrigen Rand des Mondes aus ihrem Blickfeld verschwinden. Etwas zischte leise neben ihr, dann noch einmal, und zwei brennende Fackeln fielen zu Boden. Gabriel legte den dritten Pfeil an und dann sah Emma auch die letzte Fackel erzittern und schließlich in der Schlucht verschwinden.
    »Jetzt leise!«, mahnte Gabriel. »Vielleicht sind im Wachhäuschen noch mehr.«
    Sie rannten über die Ebene. Emma wich den rauchenden Leichen der Kreischer aus, und Gabriel blieb kurz stehen, um eine Fackel vom Boden aufzuheben. Die Kuppe des Damms stieg vor ihnen auf, erhob sich zwei Meter über die Felskante. Aus der Nähe betrachtet, war der Damm ein Ehrfurcht gebietendes Bauwerk, ganz anders als Emma es sich vorgestellt hatte. An der Seite befand sich eine Tür, die Gabriel jetzt öffnete. Dahinter führte eine Treppe nach unten. Er ging vor und winkte Emma zu sich, als er sich davon überzeugt hatte, dass keine Gefahr drohte. Sie stiegen zwei Treppenabsätze nach unten und landeten auf einer Art Balkon. Gabriels Fackel zischte in der feuchten Luft.
    »Wow!« Emma blieb stehen und starrte.
    Entlang des Damms waren schwache, orange glühende Lampen angebracht und beleuchteten eine Konstruktion aus Holzstämmen, die sich von einer Seite der Schlucht zur anderen erstreckten, wie die Rippen eines gigantischen Tiers. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier zu stehen, oberhalb der Schlucht und mit dem gewölbten Leib des Damms vor Augen. Man hatte den Eindruck von einem riesigen Raum. Andererseits lagen die Vorder- und Rückseite des Damms bloß drei Meter auseinander,
sodass man das Gefühl hatte, das Wasser, das mit einer ungeheuren Wucht gegen den Damm presste, würde ihn jeden Moment durchbrechen. Emma packte das Geländer, weil ihr schwindelig wurde.
    »Komisch, dass der ganz hohl ist, nicht wahr?«
    Gabriel antwortete nicht.
    »Was ist das für ein Geräusch?«, wollte Emma wissen.
    Ein unheimliches, dumpfes Stöhnen und Quietschen stieg von dem Damm auf.
    »Durch den Druck des Wassers reiben die Stämme aneinander. «
    Emma versuchte, sich das Wasser vorzustellen, das gegen die Wölbung des Damms anstürmte. Sie hatte den Eindruck, im Bauch eines riesigen hölzernen Wals zu stehen.
    »Da!«
    Sie schaute in die Richtung, in die Gabriel deutete. Weit unter ihnen konnte sie in dem funzeligen orangefarbenen Glühen ein halbes Dutzend grüner Lampen ausmachen, die in Abständen über die Breite des Damms verteilt waren.
    »Gasminen. Wir haben nur wenig Zeit. Wenn das Licht rot wird, werden sie explodieren.«
    Dutzende von Fragen gingen Emma durch den Sinn: Wie viel Zeit genau blieb ihnen? Wie entschärfte man eine Gasmine? Was war eine Gasmine überhaupt? … Aber noch ehe sie eine davon stellen konnte, stieß Gabriel sie zu Boden, und etwas flog mit einem entsetzlichen Aufkreischen an ihr vorbei.
    Gabriel war sofort wieder auf den Füßen und nahm den Bogen zur Hand. Immer noch flach auf dem Boden liegend, verrenkte sich Emma den Hals, um nach oben sehen zu können.
    Ein dunkler Schemen flog durch die Balken an der Oberkante
des Damms und wendete gerade wieder, kam zu ihnen zurück. Sie sah zu, wie Gabriels Pfeil wirkungslos am Körper der Kreatur abprallte. Auch den nächsten beiden Pfeilen erging es nicht besser, und die Kreatur landete ungehindert auf einem Querbalken ein paar Meter über ihnen, wo sie wie ein Geier hocken blieb.
    Kein Geschöpf, dem Emma bislang begegnet war – nicht die Kreischer der Gräfin und auch nicht die blinden, krallenbewehrten Salmac-Tar –, hatte sie auf diesen Anblick vorbereitet. Das Monstrum hatte den Körper eines Mannes, hatte Arme, Schultern und Beine, aber Emmas erster Gedanke galt einer riesigen Fledermaus. Die Kreatur besaß ledrige Flügel, lange Krallen, mit denen sie sich an das Holz klammerte, und eine grauschwarze Haut, aus der struppiges dunkles Fell wuchs. Der Schädel war extrem schmal und die Augen waren kaum mehr als schwarze Schlitze. Der Unterkiefer trat grotesk nach vorn und war mit unzähligen nadelspitzen Zähnen bestückt. Emma konnte förmlich fühlen, wie sie in ihr Fleisch drangen.
    Gabriel ließ den Bogen fallen und hob Emma auf.
    »Was … was ist das?«
    Gabriel zückte seine Machete. Die Kreatur beobachtete sie und zischte. »Dieses Ungeheuer war auf dem Gefängnisschiff der Gräfin eingesperrt. Ich hatte schon vorhin im Wald das Gefühl, dass es uns auf der Spur ist.« Er wandte sich zu Emma und schaute ihr in die Augen. »Du musst

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