Emerald: Hörspiel
wieder, seufzte und tat so, als würde ihr eine Last von ihren Schultern genommen werden. »Alles ist gut. Endlich.« Sie schenkte ihm sogar ein kleines Lächeln.
»Sehr gut«, sagte der Zauberer und reichte ihr die Chronik.
Sie erwartete, umgehend wieder dieses Ziehen in ihrem Körper zu verspüren und in die Kajüte der Gräfin zurückzukehren, aber sie hielt das Buch fest, das sich schwer und vertraut in ihre Hände schmiegte, und nichts passierte.
»Und jetzt«, sagte Dr. Pym und stand auf, »werde ich euch zwei alleine lassen.« Und ohne Kate einen Hinweis darauf zu geben, was sie nun tun sollte – ihrer Mutter sagen, wer sie war oder nicht? –, verließ er den Raum.
»Es tut mir leid«, sagte ihre Mutter in dem Moment, in dem sich die Tür hinter ihm schloss, »aber ich bin sehr, sehr verärgert. Natürlich nicht über dich. Ich bin wütend über denjenigen, der dich in diese Sache hineingezogen hat. Du bist viel zu jung.«
Kate sagte nichts. Sie stand bloß da, das Buch an ihre Brust gedrückt.
»Ich weiß, dass ich nicht an Stanislaus zweifeln sollte. Wenn er meint, dass du dieser Aufgabe gewachsen bist, dann muss ich ihm glauben. Er ist ein großer Mann, weißt du? Abgesehen davon, dass er ein Zauberer ist. Richard und ich – Richard ist mein Mann – würden ihm unser Leben anvertrauen.«
Es war so friedlich in dem Zimmer. Das Feuer prasselte; draußen fiel der Schnee. Kate hätte sich auf den Teppich vor den Kamin legen und zehn Jahre lang schlafen mögen.
»Soll ich dir wirklich nichts zu trinken holen?«
Kate schüttelte den Kopf.
»Wo ist Stanislaus denn hingegangen? Muss er dich wieder dorthin zurückschicken, wo du hergekommen bist? Oder besser gesagt: Von wann du gekommen bist?«
»Das letzte Mal ist es einfach passiert. Ich weiß nicht, warum es diesmal anders ist.«
»Richard und ich suchen seit Langem nach den Chroniken vom Anbeginn , weißt du? Gemeinsam mit Stanislaus, natürlich. Sag mal, ist das wirklich das Buch Emerald?«
Sie beugte sich vor und Kate roch ihr Parfüm. Sie erkannte
es sofort. Die Jahre schienen von ihr abzufallen, und Kate konnte wieder die Stimme ihrer Mutter hören, die sie bat, auf ihren Bruder und ihre Schwester aufzupassen, die ihr versprach, dass sie eines Tages zurückkehren würde. Kate fühlte, wie etwas in ihr zerbrach.
»Mein … Bruder, meine Schwester und ich haben sie gefunden. «
»Du hast einen Bruder und eine Schwester? Wie heißen sie?«
Kate blickte zu Boden. Sie konnte ihrer Mutter nicht in die Augen schauen.
»Du steckst in Schwierigkeiten, nicht wahr? Steht dir Dr. Pym bei? In der Zukunft, meine ich. Oh je, das ergibt irgendwie keinen Sinn, nicht wahr? Was ist mit deinen Eltern? Du bist noch so jung!«
Kates Augen quollen über vor Tränen, und sie biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen.
»Ach, meine arme Kleine …«
Und noch ehe Kate wusste, wie ihr geschah, trat ihre Mutter vor und nahm sie in den Arm. Jetzt gab es kein Halten mehr. Das Schluchzen schüttelte sie, als ob all die Tränen, die sich in einem ganzen Jahrzehnt aufgestaut hatten, plötzlich freigelassen worden wären. Kate weinte um all die Male, die sie eine schluchzende Emma oder einen heulenden Michael im Arm gehalten und ihnen versprochen hatte, dass ihre Eltern wiederkommen würden. Sie weinte um all die verpassten Weihnachtsfeste und die Geburtstage, um die Kindheit, die sie niemals gehabt hatte. Sie sank in die Arme ihrer Mutter, ließ sich von ihr halten und weinte, denn die Frau, die ihr übers Haar strich und murmelte: »Es wird alles gut. Alles wird gut …«, war ihre eigene Mutter.
Dann hörte ihre Mutter ganz plötzlich auf. Kate rührte sich nicht. Sie wusste, dass etwas geschehen war. Ihre Mutter trat zurück und hielt Kate an den Armen, während sie ihr tief in die Augen blickte.
»Oh nein … bist du … du bist …«
Kate verspürte das Ziehen in ihrer Magengrube und die Szene verschwand. Sie würde niemals hören, was ihre Mutter hatte sagen wollen. Aber trotzdem wusste Kate, dass ihre Mutter in diesem Moment ihre Tochter erkannt hatte.
»Siehst du, meine Liebe?«, sagte die Gräfin und nahm ihr das Buch aus der Hand. »Ich wusste, dass du es schaffen würdest.«
KAPITEL 22
Der grässliche Magnus
»Hast du geweint? Ganz ehrlich, du siehst entsetzlich aus. Da ist ein Spiegel, wenn du dich ein bisschen herrichten willst.«
Kate spürte, wie ihr das Medaillon in die Hand gedrückt wurde. Mechanisch legte sie sich die Kette um. Vor
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